Emotionale Kampagnen – Ab wann ist Spendensammeln Manipulation?

Leid und Tränen nutzen, um mehr Spenden zu sammeln? Inwieweit ist das moralisch vertretbar? Diese komplexe Frage beschäftigt Verbandsmitarbeiter, Ethiker – und Betroffene.

Für Kinder wird mehr gespendet als für Erwachsene – und für kranke Kinder noch mehr: Das beobachtet Laura-Jane Dankesreiter vom Bundesverband Kinderhospiz. Die Kampagne „Facing the Taboo“ des Verbandes habe viel Aufmerksamkeit auf die Arbeit gelenkt, sagte Geschäftsführerin Franziska Kopitzsch am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion des Verbandes. Dabei waren die Gesichter von Kindern mit lebensverkürzenden Krankheiten fotografiert und vor allem auf Social Media verbreitet worden.

Der Bundesverband ist nach eigenen Angaben auf Spenden angewiesen. „Der emotionale Bezug zu Kindern ist größer als zu Erwachsenen“, erklärt Dankesreiter. Doch gelte es, bei derartigen Kampagnen sensibel vorzugehen: „Kinder an Schläuchen im Krankenhausbett und auch noch mit einer offenen Wunde, das wäre zu viel.“ In Ordnung sei es aber aus ihrer Sicht, wenn Kinder für andere Spenden sammeln, die in der gleichen Situation sind. „Es ist tatsächlich so, dass bei uns ab dem jungen Teenageralter weniger für die Betroffenen gespendet wird“, sagt Kopitzsch.

Aus Sicht eines Medienethikers sind Wahrheit und Wahrhaftigkeit des Anliegens entscheidend. Dazu gehöre auch die Transparenz über die Verwendung der Gelder, sagte Christian Schicha, der Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist. Auch die freiwillige Teilnahme der Botschafter und ein empathisches, reflexives und sensibles Vorgehen seien wichtig. Eine Möglichkeit der Kontrolle böten beispielsweise Spendensiegel, die auch entzogen werden können.

Fotos von kranken Kindern lösen Mitleid aus – ist das Manipulation? Razul, der selbst bei der Kampagne mitgemacht hat, sagt: Solange freiwillig mitgemacht und alles zur Veröffentlichung abgesprochen wird, sei dies kein moralisches Problem. „Meine Grenze wäre eine falsche Darstellung“, sagt er. Es gebe viele Möglichkeiten zur Bearbeitung mit Photoshop oder Deepfake, und Veränderungen sollten mit den Betroffenen abgestimmt sein.