Artikel teilen:

Elektronische Patientenakte wird Pflicht für Praxen und Kliniken

Seit Jahrzehnten ist sie Thema. Ab Mittwoch ist ihr Einsatz für Gesundheitseinrichtungen verpflichtend. Die elektronische Patientenakte soll das Gesundheitswesen verändern.

Ab Mittwoch ist die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) für Apotheken, Arztpraxen und andere Gesundheitseinrichtungen verpflichtend. Was könnte sich mit der ePA verbessern? Und wo hapert es noch? Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten.

Die ePA soll die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen. Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft sollen schrittweise elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden können. Langfristig sollen Patienten auch ihre durch Fitnesstracker gewonnenen Gesundheitsdaten – Blutzuckerwerte, Blutdruckmessungen – in der ePA einspeichern können. Rund 200.000 Leistungserbringer – Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheker, Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen – sollen durch die ePA besser vernetzt werden. Auch die Patienten sollen besser über ihren Gesundheitszustand informiert sein.

Sie ist ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Ziel ist es, wichtige Informationen zur Gesundheit des Patienten ein Leben lang digital zu speichern, damit sich Ärztinnen und Ärzte im Notfall schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen können. Auch sollen unnötige Doppeluntersuchungen und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen vermieden werden. Mit der Speicherung soll das Gesundheitswesen effektiver, schneller, unbürokratischer und damit auch kostengünstiger gemacht werden.

An der ePA wird schon seit mehr als 20 Jahren gearbeitet. Schon seit 2021 bieten die Krankenkassen ihren Versicherten eine App zum Download an, mit der sie Zugang zur ePA bekommen – allerdings mit nur geringer Nachfrage. Deshalb hat der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Schalter umgelegt: Jeder erhält automatisch eine elektronische Patientenakte zugewiesen – außer, der Versicherte hat ausdrücklich widersprochen. Zunächst ging die Patientenakte Mitte Januar in Modellregionen in Hamburg, Franken und NRW an den Start. Ab Mitte Februar sollte sie dann bundesweit für alle Versicherten eingerichtet werden. Wegen Sicherheitsbedenken, aber auch wegen technischer Probleme, verzögerte sich der Start weiter. Am 25. April begann der bundesweite Roll-out. Ab Mittwoch sind Ärzte in Praxen und Krankenhäusern sowie die Apotheken bundesweit verpflichtet, medizinische Befunde in die E-Akte einzutragen. Ab 2026 drohen Sanktionen bei Nichtbefüllung.

Rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten haben inzwischen eine elektronische Patientenakte zugewiesen bekommen. Um auf die eigene Akte zugreifen zu können, werden aber eine App und eine GesundheitsID benötigt. Viele fremdeln noch damit. Nicht einmal jeder Zehnte habe bisher eine App mit ePA genutzt, lautet das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Nur acht Prozent der gesetzlich Versicherten gaben an, eine entsprechende App aktiv zu verwenden, um etwa Dokumente hochzuladen oder Arztbriefe abzurufen. Weitere 14 Prozent hätten eine App zwar heruntergeladen, bisher aber nicht verwendet. Elf Prozent der Versicherten hätten der Anlage ihrer ePA aktiv widersprochen.

Ziemlich positiv bewertet die Nationale Agentur für Digitale Medizin in Deutschland (Gematik) die Situation. “Zum 1. Oktober werden mehr als 90 Prozent der (Zahnarzt-)Praxen und Apotheken in Deutschland technisch ausgestattet sein, um mit der ePA arbeiten zu können”, meldete sie. Skeptischer sehen das die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Bislang seien 80 Prozent der Praxen mit einem Modul ausgerüstet, hieß es bei den Kassen-Ärzten. Von einer schleppenden Einführung in den Krankenhäusern berichtete Anfang September die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Zwei Drittel der Krankenhäuser hätten mit der Inbetriebnahme begonnen, aber nur etwa 20 Prozent diesen Prozess bislang vollständig abgeschlossen. Knapp unter 60 Prozent der Einrichtungen gehen derzeit davon aus, dass die Patientenakte erst im ersten Quartal (31 Prozent) oder ab dem zweiten Quartal (27 Prozent) 2026 krankenhausweit eingesetzt werden kann.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten eine App für die elektronische Patientenakte anbieten – für Smartphone, PC oder Laptop. Um Einblick in die Patientenakte zu bekommen oder Daten hochzuladen, ist auch eine persönliche Identifikationsnummer (PIN) notwendig. Ärztinnen und Ärzte benötigen für den Zugriff einen zweiten Schlüssel, nämlich ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN. Eine Datenmitnahme bei Krankenkassenwechsel ist möglich.

Ärzte sind verpflichtet, die Patientenakte zu befüllen. Die Daten gehören aber den Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, welche Informationen in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Patienten können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Sie können auch vorgeben, ob sie die Daten entweder nur für die aktuelle Behandlung oder für einen längeren Zeitraum (zum Beispiel in der Hausarztpraxis) freigeben.

Patientinnen und Patienten sollen auch bestimmen, ob für sie vielleicht problematische Informationen wie psychische Erkrankungen, Aids oder ein Schwangerschaftsabbruch in der ePA stehen. Deshalb können sie verschiedene Vertraulichkeitsstufen einstellen. Fraglich ist aber, wie benutzerfreundlich die Technik ist. Der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Deutsche Aids Stiftung drängen auf unkomplizierte Einstellungen. “Wer einzelne Diagnosen verbergen will, muss sehr gut Bescheid wissen”, erklärte die Aids-Hilfe am Dienstag.

Der Zugriff auf die ePA erfolgt über die Telematikinfrastruktur, ein Netzwerk, das in sich geschlossen und sicher sein soll. Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen, auch die Krankenkassen nicht. Sie sollen weiterhin nur Zugriff auf die Abrechnungsdaten haben. Datenschützer haben die Sicherheit mehrfach infrage gestellt.

Experten betonen, Deutschland sei aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung. Der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Um das zu ändern, soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Krebsregistern, Krankenkassendaten und Daten aus der elektronischen Patientenakte ermöglichen soll. Patienten können der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aber auf der ePA widersprechen.