Kirchenpräsidentin Christiane Tietz erinnerte zum Auftakt der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in ihrer Predigt an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Seit dem damaligen „Nie wieder!“ habe es mehr als 250 Kriege gegeben, mahnte Tietz. Deshalb sei es wichtig, sich an das Kriegsende zu erinnern. In ihrem ersten Bericht hob Tietz hervor, dass sich die Kirche für die Demokratie als einer „Menschenrechtsdemokratie“ einsetzen müsse.
Die Demokratie nach dem Grundgesetz bedeute nicht allein die Herrschaft einer Mehrheit, ihr zentraler Bestandteil sei auch die Würde aller Menschen und damit die gleichen Rechte für alle. „Das gilt es, Kräften entgegenzuhalten, die sich als die wahren Verfechter der Demokratie ausgeben, aber dagegen vorgehen, dass alle Menschen die gleiche Würde besitzen“, sagte die Kirchenpräsidentin in ihrem mehrfach vom Beifall der rund 100 Delegierten unterbrochenen Synodenbericht.
Die Realität sexualisierter Gewalt müsse zu einem Überdenken der „kirchlichen Rede von Schuld und Gnade“ führen, sagte Tietz. In der Kirche werde oft davon ausgegangen, dass Schuld automatisch vergeben werde, bevor eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Geschehen stattgefunden habe. Dahinter stehe ein Missverständnis der Rechtfertigungslehre. Es gebe ein grundlegendes „Ja“ Gottes zu jedem Menschen, aber auch ein „Nein“ zu Taten, die andere Menschen verletzten oder zerstörten, sagte Tietz. Es gebe Dinge, die Betroffene auch bei der größten Reue der Täter und Täterinnen nicht vergeben könnten.
Die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt in der EKHN hat seit der Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche im Januar 2024 weitere 27 Meldungen verzeichnet. Darauf verwies die Leiterin der Fachstelle, Petra Knötzele, in ihrem Bericht zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Zwischen 2010 und Januar 2024 war die EKHN nach eigenen Angaben 87 Meldungen seit Kriegsende nachgegangen.
Die in der ForuM-Studie genannten speziellen evangelischen Gründe für sexualisierte Gewalt wie Harmoniesucht, das Ausgrenzen von Betroffenen sowie eine fehlende Sprachfähigkeit seien Themen von Veranstaltungen der Fachstelle. Ziel sei es, über die vielfachen Formen von Gewalt zu informieren, zu sensibilisieren sowie Diskussionsprozesse anzustoßen, sagte Knötzele. Es müsse deutlich werden, dass die Nulltoleranzstrategie der EKHN auf allen Ebenen gelebt werde.
Die Einnahmen der EKHN aus der Kirchensteuer als wichtigster Einnahmequelle betrugen 2024 schätzungsweise 522 Millionen Euro (2023: 517 Millionen Euro), wie Finanzdezernent Thorsten Hinte berichtete. Die Mindereinnahmen gegenüber der Planung (540 Millionen Euro) könnten voraussichtlich durch gesenkte Aufwendungen gedeckt werden. Das Jahresergebnis der Kirche werde 2024 auf ein Defizit von 21 Millionen Euro geschätzt (2023: minus 90 Millionen Euro). Der Haushaltsausgleich durch die Ausgleichsrücklage werde in geringerer Höhe nötig sein als geplant. Der Finanzdezernent plädierte angesichts der steigenden Kirchenaustritte für eine Anhebung des Sparziels bis 2035.
Einsparungen kann auch die Überführung der Evangelischen Hochschule Darmstadt in eine Evangelische Hochschule Hessen zum Januar 2026 mit sich bringen. Notwendig ist dazu ein Zusammenschluss mit der CVJM-Hochschule Kassel sowie die Zusammenarbeit der EKHN, der kurhessen-waldeckschen Kirche und des CVJM mit dem Land Hessen, das seinen Anteil an der Finanzierung der EHH deutlich erhöhen würde. Die EKHN-Synode stimmte einem entsprechenden Gesetz für die EHH am Donnerstag bereits mit großer Mehrheit zu.
Die Kirchensynode beschloss auch ein Gesetz, dass der Kirchengemeinde Bingerbrück ermöglicht, am 1. Januar 2026 von der Evangelischen Kirche im Rheinland in die EKHN zu wechseln. Vor mehr als 50 Jahren war der einst selbstständige Ort Bingerbrück nach Bingen eingemeindet worden. Die Kirchen allerdings hatten den Schritt damals nicht nachvollzogen.