Einzigartige Kulturkirche frisch saniert

Die St. Jakobikirche in Stralsund wird seit Jahren als reine Kulturkirche genutzt. Jetzt wurde ihr Kirchenschiff saniert – und bietet Platz für noch mehr Kultur.

Die frisch sanierte Kulturkirche St. Jakobi in Stralsund
Die frisch sanierte Kulturkirche St. Jakobi in StralsundClaudia Noatnick

Stralsund. Die Stralsunder kennen ein Sprichwort, das besagt, es gebe in der Stadt drei Kirchen: die Mächtige, die Prächtige und die Schmächtige. Während sich St. Nikolai und St. Marien mit den ersten Attributen schmücken dürfen, hatte St. Jakobi als „Schmächtige“ kein einfaches Los. In ihrer über 700-jährigen Geschichte wurde sie mehrmals schwer beschädigt. Die Wallensteinschen Truppen jagten 30 Kanonenkugeln ins Gemäuer, nach einem Blitzeinschlag brannte der Turm nieder, die Glocken schmolzen im Feuer. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde St. Jakobi zum Ziel von Plünderern, und schließlich lagerte in den 1980er Jahren der Bauhof in der Kirche seine Materialien.
Doch 1994 wendete sich das Blatt: Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz begann man, die „Schmächtige“ zu sanieren. Heute, über 20 Jahre und zehn Millionen Euro später, braucht sich St. Jakobi nicht mehr hinter den beiden anderen stolzen Kirchen zu verstecken. Im Gegenteil: Aus der Schmächtigen wurde als „Kulturkirche“ die Einzigartige.

Einzigartig in MV

So sieht es auch Gerd Franz Triebenecker, Leiter der Kulturkirche. „Wir sind nicht besonders, wir sind einzigartig“, betont er. Und zwar in ganz MV. „Falsch“, mögen einige da rufen und auf St. Georgen in Wismar verweisen oder auf die Konzertkirche Neubrandenburg. Stimmt, auch St. Georgen wird kulturell genutzt. Aber eben nicht nur. Stadt und Kirchengemeinde nutzen das Gotteshaus gemeinsam.
Das Konzept der Stralsunder Kulturkirche ist zudem breiter gefächert. „Hier wurde mit der Sanierung ein Raum geschaffen, der die Darstellung großer kultureller Vielfalt ermöglicht“, sagt Gerd Meyerhoff. Der Vorsitzende der Stiftung Kulturkirche St. Jakobi Stralsund und Referent im Baudezernat des Landeskirchenamtes weist in das Kirchenschiff: Leere ist hier ein Gestaltungsmittel und eine Chance, die Kulturkirche bietet Raum für Handwerkermärkte ebenso wie für Konferenzen, Lesungen und Ausstellungen bildender Kunst. Filme können vorgeführt werden, Konzerte – klassisch wie modern – sind möglich. Theater kann stattfinden.
Findet es auch schon: Auf der kleinen Studiobühne im Gustav-Adolf-Saal der Kirche werden regelmäßig die kleineren Stücke des Theaters Vorpommern gespielt, derzeit die Monodramen. Puppenspieler begeistern ihre Zuschauer ebenfalls hier. Dass das Kirchenschiff das Zeug für großes Theater hat, bewies bereits der frühere Intendant des Theaters, Anton Nekovar. Noch während der Sanierungszeit der Kirche ließ er hier die Opern „Andrea Chénier“ von Umberto Giordano und „Tosca“ von Giacomo Puccini aufführen. Mit riesigem Erfolg.

Lebendige kulturelle Begegnung

„Aus der Kirche mit anfangs „vorsichtiger kultureller Nutzung“, wie es Meyerhoff nennt, ist inzwischen ein Ort lebendiger kultureller Begegnung geworden. Dafür bedurfte es allerdings umfassender Bau- und Sanierungsarbeiten. „Insgesamt sind seit den 1990er Jahren zehn Millionen Euro in die Arbeiten an Stralsunds St. Jakobi geflossen“, weiß Carsten Schwanzlose, Geschäftsführer der Stralsunder Stadterneuerungsgesellschaft. Der Kirche, die nie entwidmet wurde, hat man die Wahrzeichen ihrer ursprünglichen Bestimmung wie Altar, Orgel und Kanzel gelassen, der Raum habe lediglich eine bessere und höhere Funktionalität erhalten, sagt er. Der Spagat zwischen geistlichem und weltlichem Veranstaltungssaal ist gelungen.
Der letzte Bauabschnitt, die Sanierung des Kirchenschiffes mit seinen gotischen Säulen und Gewölben, hat 1,6 Millionen Euro verschlungen. Unter anderem wurde der Fußboden erneuert und moderne Tontechnik und Beleuchtung installiert. Der dadurch entstandene Raum, der Mittelalterliches und Modernes auf unaufdringliche Weise miteinander kombiniert, lässt Gerd Meyerhoff ins Schwärmen geraten. „Er hat ein ganz einzigartiges Ambiente“, lobt er. Gerd Triebenecker kann nur zustimmen. „Dieser Ort steht für Integration, für Empathie“, sagt der Leiter der Kulturkirche , der auch als Regisseur der Behinderten-Theatergruppe „Die Eckigen“ tätig ist.

Jetzt wird Orgel erneuert

Abgeschlossen ist die Sanierung von St. Jakobi allerdings noch nicht. Als nächstes steht der Wiederaufbau der historisch wertvollen Mehmel-Orgel, von der nur das Gehäuse erhalten geblieben ist, auf dem Plan. 2,85 Millionen Euro sind laut Carsten Schwanzlose dafür veranschlagt. Etwas mehr als zwei Drittel der Finanzierung stehen schon, der Bund gibt eine Million Euro, eine weitere kommt von der Stadt Stralsund. Der Rest soll über eine Spendenaktion eingebracht werden. Derzeit läuft die Ausschreibung. Das große Ziel: Schon nächstes Jahr soll die Orgel in der Kulturkirche wieder erklingen.