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“Eingebildete Depression?” – Expertin warnt vor übersehenem Leid

Psychische Krise bei Kindern – “selbst Schuld”? Wer so redet, macht die Situation für betroffene Familien noch schlimmer. Eine Expertin erklärt, was jungen Menschen und ihren Eltern wirklich hilft.

Expertin rät, einen vorhandenen Leidensdruck bei jungen Menschen anzuerkennen (Symbolbild)
Expertin rät, einen vorhandenen Leidensdruck bei jungen Menschen anzuerkennen (Symbolbild)Imago / TT

Manche Diskussion über junge Menschen und die Sozialen Netzwerke könnte sich die Gesellschaft laut einer Familientherapeutin sparen. “Es ist nicht zielführend, jungen Leuten zu unterstellen, dass sie sich bestimmte Erkrankungen nur einbilden, weil sie einen entsprechenden Test bei Social Media gemacht haben”, sagte Melanie Hubermann im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wichtiger sei, vorhandenen Leidensdruck anzuerkennen und damit offen umzugehen.

Grundsätzlich brauche es einen verständnisvollen und wertschätzenden Blick aufeinander – und insbesondere auf junge Menschen, mahnte die Expertin. “Sie wurden in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Also sollten wir uns fragen, was ihnen zu schaffen macht und was sie jetzt brauchen.”

Depression: Helfen statt über Schuld sprechen

Studien zeigen, dass die psychische Belastung junger Menschen massiv zunimmt. Dies beobachte sie auch als Therapeuting und Geschäftsführerin des balagan-Therapiezentrums in Berlin, sagte Hubermann. Wenn Jugendliche eine Essstörung entwickelten oder bereits Kinder sich selbst verletzten, “dann braucht es Hilfe. Punkt. Keine Schuldzuweisungen. Wenn ein Kind vom Baum fällt und sich ein Bein bricht, bringt man es ins Krankenhaus, statt zu diskutieren, ob der Baum zu hoch war und die Eltern besser hätten aufpassen müssen.”

Psychische Belastungen dürften nicht bagatellisiert werden, doch die Eltern zu kritisieren, helfe ebenfalls nicht weiter. “Ihr habt es vermasselt” oder “kein Wunder bei dem Elternhaus” – solche Sprüche lenkten letztlich wieder von der Not der betroffenen Kinder ab, mahnte die Autorin von Büchern wie “Teenage Blues” oder “Leuchtturmeltern”. “Es nimmt viel Konfliktpotenzial aus einer Situation heraus, wenn sich ein Kind in seiner Not gesehen fühlt.”

Seit einigen Jahren täten sich Eltern leichter damit, ihren Kindern etwa die Räumlichkeiten des Therapiezentrums zu zeigen und damit zu signalisieren: “Wenn du mit jemand Außenstehendem sprechen möchtest, dann findest du hier Hilfe.” Das sei ein neues und “großartiges” Phänomen, betonte Hubermann: “Die Tür ist damit geöffnet – das macht es deutlich leichter, im Ernstfall auf das Angebot zurückzugreifen.”