Einer der einflussreichsten Kurienkardinäle wird 90 Jahre alt

Unter den hochbetagten Kurienkardinälen ist er der Wichtigste: Als Dekan des Kardinalskollegiums hat Giovanni Battista Re das Ohr des Papstes. Auch mit nun 90 Jahren hat er großen Einfluss.

Als Benedikt XVI. am 5. Januar 2023 zu Grabe getragen wurde, war er es, der den Sarg des Verstorbenen einsegnete und die Messe am Altar des Petersdoms zelebrierte: Kardinal Giovanni Battista Re. Als Dienstältester unter den ranghöchsten Kardinälen ist Re Dekan des Kardinalskollegiums. Am Dienstag (30. Januar) vollendet er sein 90. Lebensjahr.

Der Kardinaldekan hat in der sogenannten Sedisvakanz, der mehrwöchigen Phase zwischen zwei Pontifikaten, eine herausragende Rolle. Er lädt nach dem Tod oder Amtsverzicht des Papstes die Kardinäle aus aller Welt zum Konklave nach Rom ein. Er leitet die wichtigen „Generalkongregationen“ in der Zeit des Vorkonklaves, in deren Verlauf sich die aussichtsreichsten Kandidaten für das Papstamt profilieren. Und er ist es auch, der beim feierlichen Gottesdienst im Petersdom unmittelbar vor Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle die letzte große Predigt hält. Ins Konklave einziehen wird Kardinal Re jedoch nicht; dafür ist er nun schon zehn Jahre zu alt. Doch hat er in den Wochen davor viele Fäden in der Hand.

Auch im laufenden Pontifikat ist die Rolle des Mannes aus Borno in der Nähe des Gardasees wichtig. In einem Interview hat Papst Franziskus den drei Jahre älteren Re als einen genannt, der ihm bei manchen Fragen offen widerspricht und dessen Rat und Meinung er dennoch schätzt. Es gibt unter dem argentinischen Papst nicht viele Kardinäle mit diesem besonderen Status päpstlicher Hochachtung.

Res Autorität rührt aus seiner umgänglichen Art und einer sehr zielstrebigen und effizienten Herangehensweise an Themen und Konflikte. Der ehemalige Vatikandiplomat arbeitet seit 53 Jahren in der Machtzentrale der vatikanischen Kurie und hat dort bislang vier Päpste überlebt. An zwei der wichtigsten Vatikan-Behörden war er in unterschiedlichen Rollen tätig: im Büro des „Substituts“ im Staatssekretariat und in der Behörde, die weltweit für Bischofsernennungen zuständig ist. Das Amt des Substituts, also der „Nummer drei“ im Vatikan, übte er von 1989 bis 2000 aus; in den folgenden zehn Jahren war er Chef der Bischofsbehörde.

Re leitete als 79-Jähriger das Konklave im März 2013, bei dem die Kardinäle den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Papst wählten. Eigentlich wäre die Moderatoren-Rolle dem Kardinaldekan zugefallen; doch der hieß damals Angelo Sodano und hatte die Altersgrenze von 80 Jahren schon lange überschritten.

Aus der Ära von Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ist Re einer der wenigen Überlebenden, die weiter Macht und Einfluss haben. Wenn der Papst sich alljährlich kurz vor Weihnachten mit einer Grundsatzrede an die Spitzen der römischen Kurie wendet, ist es Kardinal Re, der vorher den Papst mit einer kurzen Rede begrüßt. Am 21. Dezember 2023 kommentierte Franziskus die energisch vorgetragenen Rede Res mit den Worten: „Ich möchte Kardinal Re danken für seine Worte, und auch für seine Energie. Ein 90-jähriger mit dieser Energie! Weiter so!“

Doch Res Rolle beschränkt sich nicht aufs Zeremonielle. Sein Wort als dienstältester Ratgeber des Papstes hat offenbar bis heute Gewicht sogar bei Personalentscheidungen. Als es vor einem Jahr im Vatikan um die Vorbereitung des Personalwechsels an der Spitze der Glaubensbehörde ging, soll es laut einem unbestätigten italienischen Zeitungsbericht Kardinal Re gewesen sein, der den deutschen Bischof Heiner Wilmer als neuen Chefdogmatiker des Papstes verhinderte. Stattdessen entschied sich Franziskus dann für seinen Landsmann Victor Fernandez, der seither immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat.

Seit gut drei Jahren hat der scheinbar unverwüstliche Re den gesundheitlich angeschlagenen Papst immer wieder bei Feiern am Altar vertreten. Welche Rolle der Kardinaldekan vor einem künftigen Konklave spielen wird, hängt vor allem davon ab, wie sich sein eigener Gesundheitszustand entwickelt.