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Einen Ort schaffen, an dem Menschen sich zu Hause fühlen

Ein junges Paar mit dunkler Hautfarbe und Kinderwagen ist im Frankfurter Stadtteil Preungesheim in Richtung Karl-Kirchner-Siedlung unterwegs. Dort leben viele Menschen mit Migrationshintergrund. Kebe Kahsay geht auf das Paar zu, spricht es auf Tigrinya an, einer der drei Amtssprachen Eritreas. Das Paar bleibt überrascht stehen, die drei sprechen ein paar Minuten miteinander, schließlich ein freundlicher Abschied.

Kebe Kahsay stammt aus Eritrea. Sie lebt seit Jahrzehnten in Deutschland und ist eine von fünf „Stadtteilflüsterinnen“ in Preungesheim. Diese gehen vor allem auf Migrantinnen zu, um ihnen zu erzählen, welche Angebote es für sie gibt. Das Pilotprojekt des Quartiersmanagements der Diakonie Frankfurt und Offenbach gibt es seit Anfang des Jahres. Es geht darum, Kontakte zu knüpfen und Nachbarschaften zusammenzubringen, erklärt Quartiersmanagerin Andrea Munzert: „Wir wollen gemeinsam einen Ort schaffen, an dem sich die Menschen zu Hause fühlen. Das trägt zu einem friedvollen Miteinander bei.“

Im „StadtRaum“, einer Einrichtung des Quartiersmanagements, gibt es ein breites Angebot. Es reicht von Sprachcafés, Hausaufgabenhilfe, Kreativkursen und Beratungsangeboten bis zu einem Leseclub. Dennoch hätten sie gemerkt, dass vieles nicht bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt, sagt Munzert. Hier setzen die „Stadtteilflüsterinnen“ an. Sie wenden sich vor allem an die Frauen, weil diese sich in der Regel um die Kinder kümmerten und oft isoliert seien.

Bei der Auswahl der Frauen für das auf ein Jahr befristete Projekt, das die Diakonie gemeinsam mit der Commerzbank-Stiftung entwickelt hat, war es wichtig, viele Sprachen abzudecken. Die „Stadtteilflüsterinnen“ sprechen unter anderem Arabisch und Ukrainisch, Portugiesisch und Amharisch, sie leben in Preungesheim und treffen durch ihre eigenen Kinder andere Mütter in Schulen und Kitas. In einem Workshop haben sie gelernt, auf andere zuzugehen und das richtige Maß an Nähe und Distanz zu wahren. Sie arbeiten ehrenamtlich, ein Jahr lang gibt es dafür eine Aufwandsentschädigung.

Christina Schmidt kommt aus Kasachstan und hat deutsche Vorfahren. Sie ist vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland gekommen. „Ich bin hier groß geworden“, sagt sie. Sie kennt sich aus im Quartier, viele sprechen sie mit ihrem Namen an. Seit sie mit der pinken Umhängetasche und dem Halstuch unterwegs ist – dem Erkennungszeichen der „Stadtteilflüsterinnen“ – passiere das noch häufiger. Erst kürzlich habe sie zwei Frauen zu den Nähangeboten geschickt. „Meine Eltern hätten eine solche Ansprache damals auch gut gebrauchen können“, sagt sie.

Kebe Kahsay und Christina Schmidt gehen zu einem Spielplatz zwischen den Wohnblöcken. Kinder flitzen auf kleinen Rädern und Rollern umher, Mütter sitzen am Rand und unterhalten sich. Eine junge Frau hält sich mit ihrem Sohn etwas abseits. Kebe Kahsay geht auf sie zu. Die beiden kommen ins Gespräch, Kahsay zieht einen Prospekt aus ihrer Tasche und erklärt der Mutter, wann und wo es einen Sprachkurs gibt, zu dem sie ihren Sohn mitbringen kann. Die Angesprochene freut sich: Sie lebe seit eineinhalb Jahren in Preungesheim und habe nicht gewusst, dass es einen Sprachkurs mit Kinderbetreuung gibt.

Das Quartiersmanagement lädt die Bürger jährlich zu einem Frühlingsfest ein. Dann sitzen die Leute zusammen und lernen sich ein bisschen besser kennen. 2023 seien etwa 100 Menschen gekommen, sagt Projektkoordinatorin Geysa da Silva. In diesem Jahr seien es rund 500 gewesen. Für sie und Andrea Munzert ist das ganz klar ein Erfolg der „Stadtteilflüsterinnen“.

Christina Schmidt und Kebe Kahsay wollen nach dem Projektjahr weitermachen. Sie spüren, wie wichtig ihr Ehrenamt ist. Das tut auch den „Stadtteilflüsterinnen“ selbst gut. „Sie sind sichtbar geworden und strahlen das positiv auf andere aus“, sagt Munzert.