Eine Zeit ohne Stress für erschöpfte Pastoren

Wer im kirchlichen Dienst steht und sich ausgebrannt fühlt, findet hier Hilfe. Doch ein Kurs im Haus Inspiratio des Klosters Barsinghausen wird nicht überall akzeptiert.

Pfarrer Guido Depenbrock, Leiter der Einrichtung, und Psychotherapeutin Meike Kohzer
Pfarrer Guido Depenbrock, Leiter der Einrichtung, und Psychotherapeutin Meike KohzerKarin Ilgenfritz

Barsinghausen. „Haus Inspiratio in Anspruch zu nehmen – das ist kein Makel. Sondern ein Qualitätsmerkmal“, sagt Andrea Rose. Die stellvertretende Pressesprecherin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) hat schon vor zwei Jahren das Angebot der Landeskirche angenommen: Eine begleitete Auszeit von ihrem Job. Sechs Wochen raus aus dem Alltag. Kein Terminkalender. Kein Zeitdruck. Kein Stress.
Vor einem guten Jahr war Pfarrer Gerd Oevermann aus Dülmen im Kloster Barsinghausen, wo auch Haus Inspiratio angesiedelt ist. „Ich war bei Terminen manchmal nicht richtig anwesend, weil ich gedanklich schon beim nächsten war“, sagt er. „Ich wurde immer unzufriedener und fühlte mich gestresst.“ Im Gespräch mit dem Superintendenten, mit Kollegen und seiner Familie kam die Idee mit Haus Inspiratio auf. „Alle haben es mitgetragen.“

Glauben als Kraftquelle

Das ist nicht immer so. „Manche sprechen nicht gerne über ihre Zeit bei uns“, sagt Pfarrer Guido Depenbrock. Er ist Leiter der Einrichtung. „Leider gibt es gerade unter Pfarrern etliche, die es als Schwäche sehen, wenn sie eine Auszeit brauchen.“ Dabei sei es eine Stärke, wenn jemand zu seinen Grenzen stehen kann. Er erlebt es immer wieder, dass Kursteilnehmer erzählen, sie mussten sich die Zeit erkämpfen und es werde nicht gerne gesehen, dass sie Inspiratio in Anspruch nehmen. Doch das Angebot in Barsinghausen ist auf kirchliche Mitarbeiter abgestimmt. „Wir haben den Glauben als Kraftquelle im Blick,“ sagt Depenbrock.
Im Januar 2015 hat der erste Kurs im Haus Inspiratio stattgefunden. Pro Jahr gibt es im Schnitt fünf Kurse. Inspiratio ist eine Einrichtung der Landeskirche Hannovers in Zusammenarbeit mit der EKvW und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Zum Programm gehören unter anderem Einzel- und Gruppengespräche, geistliche Begleitung, Kunsttherapie, Bewegungsangebote, Entspannungsübungen, Mitarbeit in Haus und Garten und die Möglichkeit, an den Tagzeitengebeten des Klosterkonvents teilzunehmen. Neben Depenbrock, der auch Supervisor und geistlicher Begleiter ist, gehören die Psychotherapeutin Meike Kohzer, die Kunsttherapeutin Manuela Köhler und Schwester Barbara Silbe zum Team.
Für Andrea Rose war die Kunsttherapie eine Entdeckung. „Erst war ich gar nicht begeistert“, berichtet sie. „Doch dann hat sie mir viel gebracht. Hat mich an meine Grenzen geführt, mich gleichzeitig auch Gelassenheit gelehrt.“

Ruhepausen eingeplant

Die wesentliche Erkenntnis für Gerd Oevermann war: „Den meisten Stress mache ich mir selbst.“ Ein Jahr nach seiner Zeit im Kloster zieht er Resümee: „Es gibt immer noch Stressphasen, aber ich kann mir jetzt auch Ruhephasen einplanen. Außerdem habe ich Verantwortung abgegeben.“ Besonders das Bogenschießen habe ihm gut getan. Außerdem hat er die Gebetszeiten des Klosterkonvents genossen. „Ich habe mich in diesen sechs Wochen ganz neu wahrgenommen.“
Haus Inspiratio ist bewusst in einem Kloster angesiedelt, um noch mehr geistliche Anbindung zu haben. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings in Barsinghausen: Der Konvent besteht momentan nur noch aus zwei Frauen. Schwester Barbara und die Konventualin Manuela Köhler hoffen darauf, dass sich bald wieder Frauen finden, die mit ihnen das Kloster beleben. Auch Pastor Depenbrock würde sich freuen. „Haus Inspiratio besteht zwar unabhängig vom Konvent, aber das Klosterleben ist schon eine große Bereicherung.“