Angst ist unsere wichtigste Emotion. Denn sie warnt das körpereigene Alarmsystem vor Bedrohungen und schützt vor Gefahren. Angst ist also überlebensnotwendig. In dem Nachschlagewerk und Ratgeber „Das Alphabet der Angst: 200 Fakten rund um unsere wichtigste Emotion“ (Herder-Verlag, Freiburg), das ab 10. Februar erhältlich ist, wollen die Autoren Katharina Domschke (Freiburg) und Peter Zwanzger (Wasserburg am Inn, Landkreis Rosenheim) die Angst entzaubern. „Denn wer die Angst begreift, kann mit ihr leichter umgehen“ sind der Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für Angstforschung überzeugt.
Angst hat viele Gesichter und kann uns in Form von Ängstlichkeit, Furcht oder Sorgen begegnen. Ebenso wie unsere Seele und Gedanken erfasst Angst aber auch unseren Körper und äußert sich zum Beispiel in Form von Atemnot, Herzklopfen, Ohnmacht, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen oder Zittern, erklären die beiden klinischen wie wissenschaftlichen Experten auf dem Gebiet der Angsterkrankungen.
Angst kann aber auch zur Erkrankung werden, wie etwa zur Panikstörung, sozialen Phobie oder Zahnarztangst. Angsterkrankungen, so haben viele Studien gezeigt, gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Störungen. Je nach Studie schwankt das Risiko, einmal im Leben an einer Angststörung zu erkranken, von 18 bis 25 Prozent. Auf ein Jahr gesehen leiden 14 Prozent der europäischen Bevölkerung an einer Angsterkrankung. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Die gute Nachricht ist jedoch: Es gibt zahlreiche Wege aus der Angst, umfassende Möglichkeiten der Therapie und beste Chancen auf Heilung – durch Selbsthilfe oder im Rahmen einer professionellen Behandlung in Form einer Psycho- oder Pharmakotherapie, schreiben die Autoren.
So ist etwa eine psychotherapeutische Strategie bei überhandnehmenden Sorgen der sogenannte „Sorgenstuhl“. Dabei ernennt man einen konkreten Stuhl zum Ort des Grübelns. Hier darf man sich Sorgen machen, aber: nur auf genau diesem Stuhl und nur für genau 15 Minuten am Tag.
Die Leser erfahren von interessanten Phänomenen wie der „Karzinophobie“, einer krankhaft übersteigerten Furcht vor einer Krebserkrankung – oder der Kastrationsangst, der Angst, der eigene Penis könnte abgeschnitten oder verstümmelt werden – eine archetypische Angst über alle Kulturen hinweg. Manchmal können die Herausforderungen auf der Arbeit so groß werden, dass es zu „Sunday Scaries“ kommt, einer intensiven Angst vor der bevorstehenden Arbeitswoche, begleitet von Sorgen und körperlichen Symptomen wie Zittern, Herzklopfen, Atemnot und anderen Symptomen.
Angst kann sich in Wut wandeln und zum Hass werden. Ein prominentes Beispiel ist die natürliche Scheu vor Fremden, die aber umschlagen kann in Fremdenfeindlichkeit bis hin zum Fremdenhass. „Dann wird die Angst gefährlich“, so Domschke und Zwanger.
Die beiden warten in ihrem Angst-Alphabet auch mit Ausflügen in Literatur, Kunst und Musik auf. So erfahren die Leser von Martin Walsers Roman „Angstblüte“ und davon, dass auch die Bibel rund 200 Mal das Thema Angst thematisiert. Wenn von Gottesfurcht die Rede ist, dann ist das als „Ehrfurcht“ zu verstehen im Sinne von Respekt gegenüber Gott, als Hingabe an Gott sowie Achtung und Befolgung seiner Gebote, erklären die Autoren. In Gottesfurcht kann der Mensch angstfrei leben, so die Botschaft der Bibel wie zum Beispiel in Jesaja 41,10: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott.“
„FOMO“ ist die „Fear of Missing out“, die Angst, etwas zu verpassen, seien es Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Entscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten. Daraus folgt, dass man alle Nachrichten mitbekommen will, jedem Trend hinterherrennt und zahlreiche Freizeitaktivitäten unternimmt. Heilsam wäre in diesem Fall, so die Autoren, sich auf die Gegenwart zu fokussieren und Prioritäten zu setzen, ja sogar Freude daran haben, nicht alles mitnehmen zu müssen – was auf Englisch als „Joy of Missing out“ (JOMO) bezeichnet wird. (0304/09.02.2025)