Eine öffentliche Glaubensprüfung

Glaubensfreiheit ist in den USA ein hohes Gut. Staat und Kirche müssen getrennt sein. Doch diese Grundsätze kollidieren beim Streit um Donald Trumps Nominierung der konservativen katholischen Juristin Amy Coney Barrett für den Surpreme Court.

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Washington. Die Nominierung von Amy Coney Barrett für das Oberste US-Gericht durch US-Präsident Donald Trump wirft zwei Fragen auf: Können streng gläubige Männer und Frauen wie Barrett wirklich objektiv und ohne Rücksicht auf die Lehre ihrer Kirche Recht sprechen? Andererseits: Dürfen Nominierte wegen ihres Glaubens kritisiert werden? Bei der katholischen Christin Barrett spitzen sich diese Überlegungen zu. Die 48-Jährige würde dem neunköpfigen Gericht erstmals in Jahrzehnten eine feste konservative Mehrheit geben. Die Juristin soll die kürzlich verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg ersetzen, die eher liberal eingestellt war.

Anfang November wird in den USA gewählt. Republikaner wollen die Nominierung offenbar im Schnellgang im Senat bestätigen, ungeachtet von Trumps aktueller Covid-19-Infektion und der Beschwerden demokratischer Senatoren. Trumps Wähler, vornehmlich die konservativen Christen, betrachten Barrett als erfülltes Wahlversprechen. Und bei den Wahlen im November könnten die Republikaner die Mehrheit im Senat verlieren.

Entscheidung über Abtreibung steht an

Die siebenfache Mutter und frühere Juraprofessorin an der katholischen Notre-Dame-Universität in South Bend (US-Bundesstaat Indiana) gilt als entschiedene Abtreibungsgegnerin. Das Oberste Gericht dürfte in naher Zukunft über die Beibehaltung des legalen Schwangerschaftsabbruchs entscheiden. Vor mehreren Jahren hat Barrett eine Zeitungsanzeige unterzeichnet: Leben sei vom „Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ zu schützen.

Amy Coney Barrett
Amy Coney BarrettRachel Malehorn / Wikimedia Commons

Es wäre „lächerlich“ anzunehmen, Barrett würde unvoreingenommen urteilen, sagte eine Sprecherin des Familienplanungsverbandes „Planned Parenthood Action Fund“. Trumps Anhänger wollen den Spieß umkehren. Kritik an Barrett wegen ihrer religiösen Überzeugung illustriere „Intoleranz hinsichtlich ihres katholischen Glaubens“, sagte Vizepräsident Mike Pence im Fernsehsender ABC. Der republikanische Senator Josh Hawley betonte, die US-Verfassung sehe keinen „religiösen Test“ für Ämter vor.

Sektenhafte Gemeinschaft

Für Verunsicherung sorgten Berichte über Barretts angebliche Mitgliedschaft in der von Katholiken gegründeten, interkonfessionell ausgerichteten Organisation „People Of Praise“. Manche Berichte bezeichnen „People of Praise“ als „obskure“, sektenhafte Gemeinschaft. Andere spielen die Bedeutung der Vereinigung herunter: Zur Verteidigung Barretts sagte der republikanische Senator Ben Sasse, „People of Praise“ sei „im Grund eine Bibelstudiengruppe“.

Auf ihrer Webseite stellt sich die Organisation als eine 1971 gegründete charismatische Gemeinschaft mit etwa 1.700 Mitgliedern vor – darunter nach Angaben der Organisation Katholiken, Lutheraner, Methodisten, Anglikaner, Reformierte, Baptisten, Angehörige von Pfingstkirchen und diverser Freikirchen. Die Mitglieder „bewundern die ersten Christen, die vom Heiligen Geist geführt“ worden seien und eine Gemeinschaft gegründet hätten, in der alle alles geteilt hätten.

Ehemann als Vorsteher der Familie

Transparent ist „People of Praise“ nicht. Einige Mitglieder legen angeblich ein Versprechen zum Dienst an der Gemeinschaft ab. Wie der Fernsehsender CNN recherchierte, sind Anfang 2017 Hinweise auf Barrett von der Webseite verschwunden. Damals hatte Trump die Juristin zu einem Bundesberufungsgericht nominiert.

„People of Praise“-Kommunikationsdirektor Sean Connolly wolle die Änderungen nicht erläutern, berichtete CNN. Laut Connolly bekleideten Männer die oberen Führungspositionen in der Gemeinschaft. Das Neue Testament lege fest, dass der Ehemann der Vorsteher der Familie sei.

Knappe Mehrheit

Katholiken machen etwa 20 Prozent der US-Bevölkerung aus. Religiös gesehen fällt das Oberste Gericht allerdings aus dem Rahmen: Wird Barrett bestätigt, wären sechs der neun Richter katholisch. Ein Richter besuche angeblich eine anglikanische Kirche, zwei sind Juden. Die im September verstorbene Richterin Ruth Bader Ginsburg, deren Platz Barrett einnehmen würde, war ebenfalls jüdisch.

Der Justizausschuss des US-Senats will Mitte Oktober mit Anhörungen zur Nominierung beginnen. Nach Ansicht mehrerer demokratischer Senatoren sollten die Anhörungen wegen der Corona-Pandemie verschoben werden, die in der vergangenen Woche Trump und mehrere seiner Mitarbeiter und drei Senatoren betroffen hat. Die Republikaner haben im Senat eine Mehrheit von 53 zu 47 Sitzen. (epd)