Eine neue Morgenroutine kann den Tag positiv beeinflussen

„Ich würde ja so gerne…., aber ich habe einfach keine Zeit dafür.“ Viele kennen das Gefühl, dass im Alltag kein Raum bleibt für Sport, eine kurze Meditation oder ein gutes Buch. Das lässt sich ändern.

„Der frühe Vogel fängt den Wurm“ oder „Morgenstund‘ hat Gold im Mund“ – es gibt viele Loblieder auf die ersten Stunden des Tages. Nach einer erholsamen Nacht mit Kraft und Elan in den jungen Tag starten, das wünschen sich viele. Der Frühling könnte ideal dafür sein – die Vögel zwitschern schon in aller Herrgottsfrühe, und auch die Sonne geht wieder deutlich früher auf.

Wenn da nur der innere Schweinehund nicht wäre, der einen wohlig im warmen Bett weiterschlummern lässt. Ein Gefühl, das auch Adrienne Herbert vertraut ist. „Unsere Gehirne sind auf die Vermeidung von Unbehagen programmiert – doch es ist wichtig, diesem Drang nach Bequemlichkeit zu widerstehen.“ Die britische Coachin suchte nach einem Schicksalsschlag eine Neuausrichtung für ihr Leben – und meldete sich für einen Marathon an. Weil sie aber tagsüber keine Zeit zum Trainieren hatte, entdeckte sie die erste Morgenstunde für sich. Diese sicherte nicht nur die Marathon-Teilnahme; sie brachte durch den Fokus auf wichtige Anliegen auch Bewegung in andere Bereiche ihres Lebens. Ihre Erfahrungen schildert Herbert in ihrem Buch „Power Hour“.

Bei ihr klingelt der Wecker jetzt immer um 5.30 Uhr – noch bevor der überwiegende Rest der Welt erwacht und andere Menschen und Verpflichtungen ihre Aufmerksamkeit beanspruchen. Herbert nutzt gleich die erste Stunde jedes Tages für eine kleine Auszeit. Bis 6.30 Uhr macht sie gezielt Dinge, die ihr wichtig sind – Laufen, Meditieren oder auch eine unliebsamen Aufgabe erledigen. „Ist etwas wichtig für uns, werden wir uns Zeit dafür nehmen, auch wenn es bedeutet, dreißig Minuten früher aufzustehen“, erklärt sie.

Dabei hilft ihr die Vorstellung, wie sie sich nach dieser frühen Extrastunde fühlen wird: konzentriert, kraftvoll und zuversichtlich. Eine Grundstimmung, die auch den Rest ihres Tages prägt, beobachtet die Londonerin, die in ihrem Podcast regelmäßig Menschen zu ihrem persönlichen Morgenritual befragt. So berichtet Yogalehrer Richie Norton, dass diese frühe Zeit enormen Einfluss auf den Rest des Tages habe, „indem es diese kleine Oase der Ruhe schafft, bevor wir hinaustreten in die Welt“.

Eine Erfahrung, die auch Ordensleute machen. Sie kommen zu früher Stunde – noch vor dem Frühstück – zum Morgengebet zusammen, um bei Sonnenaufgang Gott zu preisen und sich mit ihm auf den Tag einzustimmen. Eine morgendliche Besinnung ist ebenso Teil der sogenannten Exerzitien im Alltag, die jetzt, während der vorösterlichen Fastenzeit, in vielen Kirchengemeinden angeboten werden. Viele Teilnehmende spüren: Am frühen Morgen, wenn die Welt um einen herum noch ruht, fällt Meditation leichter – und die gewonnenen Impulse bleiben über den Tag.

Marita Thenee schwört ebenfalls auf ihre „Stille-Zeit“ zu früher Stunde. „Ich habe diese Zeit besonders gebraucht, als meine Kinder noch klein waren“, erinnert sich die Geistliche Begleiterin im Erzbistum Köln. 30 Minuten früher als ihre Familie, um 5.45 Uhr, sei sie damals aufgestanden. „Mit dem Gefühl, dass diese halbe Stunde mir allein gehört, bin ich anders in den Tag gegangen.“ Dadurch sei sie auch ihren Mitmenschen anders begegnet . „Meine Schüler bemerkten einmal: ‚Sie sind immer gut gelaunt.'“

Noch immer schwört die 67-jährige Bonnerin auf ihre morgendliche Gebetszeit, die sie mit einer Körperübung beginnt. „In der Stille spüre ich eine starke Verbundenheit mit Gott – der Macht, die größer ist als ich. Das gibt mir auch Kraft und Zuversicht.“ Diese morgendliche Meditationszeit verbinde sie zugleich mit anderen Menschen und der Natur. „Im Frühling mache ich das Fenster auf, um die Vogelstimmen zu hören, das ist ein sehr beglückendes Gefühl.“

Der Frühling kann also eine gute Gelegenheit sein, sich diese kraftspendende Gewohnheit anzueignen: Frühes Vogelgezwitscher und die Strahlen der Morgensonne erleichtern nun das Aufstehen. „Es geht darum, dass du dich selbst ermächtigst, eine Entscheidung triffst, aktiv wirst“, schreibt Herbert. Das stärke das Vertrauen in sich selbst und die eigene Handlungsfähigkeit. Zugleich gebe diese Extrastunde das Gefühl, die Verfügungsgewalt über die eigene Zeit zurückzuholen, die im vollgepackten Alltag oft verloren geht.

Solch ein Ritual koste anfangs etwas Mühe, Selbstdisziplin und Konsequenz, räumt die Autorin ein. Und statt abends erschöpft vor dem Fernseher zu sitzen oder sich in den Sozialen Medien zu verlieren, sollte man auch früher schlafen gehen. Mit der Zeit werde das aber zur neuen Gewohnheit.

Und: Jede und jeder dürfe eine ganz persönliche Morgenroutine entwickeln. „Das Einzige, was nicht verhandelbar ist, dass es sich stets um die erste Stunde deines Tages handeln muss.“ Die Autorin ist überzeugt: Wer täglich diese einzige morgendliche Stunde investiert, kann langfristig das ganze Leben in eine andere Spur bringen.

Im besten Fall hat man diese neue Routine dann bis zum Herbst etabliert und liebgewonnen. Zur Uhrumstellung kann man die dann geschenkte Stunde dafür nutzen – und muss dafür nicht einmal früher aufstehen.