Eine Iranerin will Kirchenvorsteherin werden

Shabnam Erfanian ist in ihrer Heimat Iran verfolgt worden, weil sie keiner Religion angehörte. Im Oktober 2016 flüchtete sie mit ihrer Familie nach Deutschland und wurde Christin. Jetzt will sie Kirchenvorsteherin werden.

Shabnam Erfanian (38) vor der Osnabrücker Pauluskirche
Shabnam Erfanian (38) vor der Osnabrücker PauluskircheUwe Lewandowski / epd

Osnabrück/Bremerhaven. Die längste Zeit ihres Lebens war Shabnam Erfanian Atheistin: "Ich wollte keine Religion, weil Religion mein Leben schlecht gemacht hat", erzählt die 38-jährige Iranerin. Vor anderthalb Jahren ist sie mit Mann und zwei Kindern nach Deutschland geflüchtet. In der evangelischen Paulusgemeinde in Osnabrück habe sie zum christlichen Glauben und eine neue Heimat gefunden. "Die Gemeinde ist wie meine Familie", sagt Erfanian mit leuchtenden Augen. Sie engagiert sich im Gemeindebüro, beim Kirchencafé und als Dolmetscherin im deutsch-persischen Bibelkreis. Bei den Kirchenvorstandswahlen am 11. März kandidiert die Migrantin für einen Sitz im Vorstand ihrer Gemeinde. 
Im Iran hat die moderne Frau mit den langen schwarzen Haaren erlebt, wie Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen sich misstrauisch beäugten oder bekämpften. Auch sie und ihr Mann wurden angefeindet, weil sie sich vom Islam abgewendet und mit Juden und Bahai zusammengearbeitet hatten. In Deutschland haben sie erfahren, "wie friedlich Religion sein kann".

In der Minderheit

Erfanian gehört in Niedersachsen zu einer absoluten Minderheit, sagt der Migrationsexperte der hannoverschen Landeskirche, Lars Thorsten Nolte. Obwohl die Zahl der Christen mit Migrationshintergrund wachse, spiegele sich das in den Gemeinden und erst recht in den Kandidatenlisten der Kirchenvorstandswahlen nicht im gleichen Maß wider. Zwar erhebe die Landeskirche diesbezüglich keine Zahlen. Er müsse sich auf Erfahrungsberichte stützen. "Unsere Kirche ist da insgesamt noch entwicklungsfähig", meint Nolte. 
Bestes Beispiel, dass es schon jetzt anders geht, ist auch die Kreuzkirche in Bremerhaven. Die Gemeinde habe ihren Schwerpunkt in der Flüchtlingsarbeit und sei offen für internationale Christen, sagt Pastor Götz Weber. Das zeige sich auch bei den Kirchenvorstandswahlen. Unter den neun Bewerbern seien drei mit Migrationshintergrund: ein 27jähriger Student aus Kamerun, ein 30jähriger konvertierter Flüchtling aus dem Iran und eine 70jährige Finnin, die schon lange in Deutschland lebt. 

Gemeinde verändert sich

Iranische Flüchtlinge konvertieren bereits seit der islamischen Revolution in ihrer Heimat in größerer Zahl als andere Muslime zum christlichen Glauben. In Deutschland sammeln sie sich in der Regel in einigen wenigen Gemeinden der Landeskirchen oder in den Freikirchen, erzählt der Osnabrücker Pastor Karsten Kümmel. In seiner Paulusgemeinde tauchte vor sechs Jahren der erste Iraner auf.
Der kurz darauf gegründete deutsch-persische Bibelkreis ist mittlerweile auf knapp 50 Teilnehmer angewachsen. "Gerade hat der dritte Taufkurs begonnen", berichtet Kümmel. Jeden Sonntag besuchen rund 30 iranische Flüchtlinge den Gottesdienst und das anschließende Kirchencafé. "Das verändert die Gemeinde natürlich, aber wir sind uns im Kirchenvorstand einig, das sie alle unsere Schwestern und Brüder sind."
Erfanian erzählt, dass sie nur kurz gezögert habe, als Kümmel fragte, ob sie kandidieren wolle. "Ich hatte zuerst Angst vor der Verantwortung", sagt die Frau, die im Iran vor 15 Jahren ihren Bachelor als Dolmetscherin für Deutsch absolviert hat. Der Pastor habe ihr Mut gemacht. "Außerdem sind die Menschen hier alle so freundlich und hilfsbereit", schwärmt Erfanian. Falls sie gewählt wird, will sie vor allem anderen Neuankömmlingen helfen, sich zurechtzufinden, und ihren neu gewonnenen Glauben weitergeben. " 

Asylantrag abgelehnt

Der Pastor räumt ihr gute Chancen ein. "Weil sie offen auf alle zugeht, ist sie überall bekannt und hoch beliebt", sagt Kümmel. "Ich kann mir gut vorstellen, dass sie bei der Wahl aus dem Stand die meisten Stimmen bekommt. Und das würde mich riesig freuen."
Ob die engagierte Christin die sechsjährige Amtszeit als Kirchenvorsteherin überhaupt ausfüllen darf, ist allerdings unsicher. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Über die Klage, die sie daraufhin eingereicht haben, ist noch nicht entschieden. "Aber ich habe jetzt keine Angst mehr. Ich vertraue auf die Liebe Gottes." (epd)