Eine Hommage zum 80. von Film-Ikone George Lucas

Der wohl einflussreichste Produzent der Filmgeschichte zählte zu den großen Regie-Hoffnungen des New Hollywood, rüstete mit “Star Wars” das Kino mit Hyperantrieb auf und verlor in einer weit entfernten Galaxie seine Ambitionen.

Glückspilze, wie George sie schuf: Pilot Luke Skywalker wirft eine Sprengladung ab und entkommt in letzter Sekunde dem Labyrinth des Todessterns, bevor der Kunstmond im Finale des ersten “Star Wars”-Films von 1977 nach Rebellenplan funkensprühend zerplatzt. Drei Jahre später in “Das Imperium schlägt zurück” überlebt der Lucky Guy die Bruchlandung auf einem Sumpfplaneten, während sein Freund Han Solo den schnittigen Millennium Falcon gegen jede Wahrscheinlichkeitsrechnung des oberschlauen C3PO durch einen Asteroidengürtel manövriert. Logisch, dass die imperialen Jäger an den durchs All trudelnden Brocken zerschellen.

Es kommt noch aberwitziger in der Prequel-Trilogie, in der Star-Wars-Schöpfer George Lucas seine Saga nach anderthalb Jahrzehnten Ende der 1990er wiederaufnimmt und auf die vorherige Sternenkriegsgeneration zurückblickt. Da gewinnt der neunjährige (!) Annakin – Lukes späterer Erzeuger – in “Episode I – Die dunkle Bedrohung” ein Rennen, dessen Teilnehmer ihre Flugmaschinen durch felsige Nadelöhre ins Ziel bringen müssen und sich gegenseitig rücksichtslos dabei behindern. Am Ende zerstört der Knabe sogar die Raumstation der zwielichtigen Handelsföderation – in einem Kampfjäger sitzend, ohne Pilotenschein und ohne einen Kratzer davonzutragen.

Das ist höchst unplausibel, keine Frage, und kam im Premierenjahr 1999 auch nicht gut an. Lucas hatte den Bogen mächtig überspannt, das mussten sogar eingefleischte Star-Wars-Fans zugeben. Wobei die Flugkünste der genannten Kämpfer und ihre Unverwundbarkeit einen wahren Kern haben.

Am 12. Juni 1962 wurde der damals 18-jährige George Walton Lucas Jr. in seiner kalifornischen Heimatstadt Modesto in einen schweren Autounfall verwickelt, den er nur durch ein Wunder überlebte. Der Autonarr und Bastler hatte das Dach seines Autobianchi entfernt und den Zweipunkt- durch einen bei Rennfahrern üblichen Beckengurt ersetzt. Bei der Kollision mit dem Wagen eines Freundes riss der Gurt und Lucas wurde herausgeschleudert. Zum Glück, denn sonst wäre er im Auto zerquetscht worden, das gegen einen Walnussbaum flog. Die Verletzungen waren immerhin so schwer, dass er nach Koma und Intensivstation beschloss, von einer Karriere als Rennfahrer Abstand zu nehmen.

Er wäre irgendwann auf der Rennstrecke umgekommen, dämmerte Lucas im Nachhinein. Nun wird er am 14. Mai 80 – und genießt den Ruf, einer der berühmtesten Filmemacher (im umfassenden Wortsinn) der Welt zu sein. Außerdem ist der publikumsscheue Produzent mit seinem 5,5-Milliarden-Vermögen der reichste aller “Celebrities” laut aktuellem Ranking des Wirtschaftsmagazins Forbes, das zwischen Promis und Milliardären mit weniger schillernden Namen unterscheidet. Der Verkauf seiner Produktionsfirma Lucasfilm an den Disney-Konzern, der seit 2012 über die “Star Wars”-Rechte verfügt, hat sich ausgezahlt.

Und Lucas lässt sich nicht lumpen. Er zählt zu den wichtigsten Unterstützern Joe Bidens – in dessen Kabinett seine heutige Ehefrau Mellody Hobson beinahe als Finanzministerin gelandet wäre – und investiert große Summen in öffentliche Projekte. 2025 etwa soll – nach diversen Verzögerungen – das von ihm und Hobson gegründete Lucas Museum of Narrative Art in Los Angeles eröffnet werden. Die edle Hülle erinnert nicht von ungefähr an eine Raumstation.

Dabei wirken die allbekannten Flugobjekte aus “Star Wars” vergleichsweise unauffällig. Das gilt auch für viele Sets. Lucas wollte immer vermeiden, dass der Wow-Faktor von der Handlung ablenkt. Das Raumschiffdesign orientiert sich an der realen Welt. Die imperialen Schlachtschiffe sind hässliche Riesentanker, bei den Flugobjekten der Rebellen kommt die Faszination für Rennautos zum Vorschein. Han Solos Falke ist der Sonderfall eines ständig reparaturbedürftigen Fluggeräts, was auf den Motorenbastler aus Modesto verweist. Er stelle sich das Raumschiff als Mischung aus einem Hamburger und einem Schweinekotelett vor, soll Lucas 1975 der Designabteilung verkündet haben.

Schon seine Frühwerke belegen die Lust am Experiment und zeigen außergewöhnliche formale Qualitäten. In Kurzfilmen wie “Freiheit” (der deutschsprachige Titel verweist auf das behandelte Thema der Flucht aus der DDR) und “Electronic Labyrinth: THX 1138 4EB” verbinden sich abstrahierende Bild-Ton-Gestaltung und Lucas’ Interesse an politischen Themen.

Die experimentelle Vorstudie zu seinem Spielfilmdebüt “THX 1138” (1971) ist von George Orwells dystopischem “1984”-Roman inspiriert. In der Langfilmversion flüchtet sich der Titelheld aus einer totalitären Leistungsgesellschaft, deren durchnummerierte Mitglieder mit Psychopharmaka gezähmt werden und qua Gesetz keinen Sex haben dürfen.

Bei genauer Betrachtung ist “THX 1138” Lucas’ einziges echtes Science-Fiction-Werk geblieben. Der Pop-Mythos “Star Wars” neigt viel eher der Fantasy zu, wobei auch der politische Ansatz weitgehend verglüht ist. Doch falls die muntere Unbedarftheit der ersten Space-Operetten ein Fehler gewesen sein sollte, machte der Autor und Regisseur der späteren Prequel-Trilogie das keineswegs wett. Arg oberflächlich spielt Lucas da mit Anklängen an die Geschichte des 20. Jahrhunderts, etwa an das Scheitern der Weimarer Republik mit der Machtübernahme Hitlers – verkörpert in einem Blitze schleudernden Usurpator alias Kanzler Palpatine.

Bei weitem nicht alles an der mittleren Trilogie ist misslungen, aber in der Retrospektive hat Lucas doch gut daran getan, seine Firmengruppe 2012 an die Walt Disney Company zu verkaufen. Er machte damit den Weg frei für die Regisseure und an den jeweiligen Filmen auch als Autoren beteiligten J. J. Abrams und Rian Johnson, die der Serie neuen Schwung gaben und Lucas als Action-Regisseure und Geschichtenerzähler ohnehin übertreffen.

Was Lucas ohne “Star Wars” im Regiefach hätte leisten können, ist schwer einzuschätzen. Einerseits zählt er zu den prägenden Figuren des New Hollywood, andererseits hat er auch, im Verein mit seinem Freund Steven Spielberg, die – mit böser Zunge gesprochen – Blockbuster-Schwundstufe dieser Ära eingeleitet.

In diesem Kontext muss das von Lucas zwecks Realisierung des “Star Wars”-Projekts gegründete Special-Effects-Unternehmen Industrial Light & Magic (ILM) erwähnt werden, das die bahnbrechenden Filmtricks für die Skywalker-Saga, für “Indiana Jones” oder “Zurück in die Zukunft” lieferte. Mit ILM bekam der zuvor ausgelaugte Begriff der “Traumfabrik” neue Schärfe.

Vom Hype um seinen “Star Wars”-Erstling wurde Lucas übrigens geradezu überrumpelt. Als “Krieg der Sterne” 1977 anlief, war sein Regisseur von der vier Jahre andauernden Material- und Drehschlacht und vom Ringen mit den bis zuletzt desinteressierten Studiobossen so demoralisiert, dass er die ersten Nachrichten vom Sensationserfolg kaum glauben konnte.

Aus einem Film wird eine Trilogie, aus der Reihe entwickelt sich ein Franchise, das immer größer wird und einen unerschöpflichen Warenfluss von Spielzeug, TV-Serien, Videospielen, Comics und Freizeitpark-Attraktionen generiert: Das ist George Lucas’ Kino-Revolution. Aber wo bleibt das Kino?

Er ist kein beratungsresistenter Starrkopf. Und übrigens auch keiner, der (wie Alfred Hitchcock oft) die Leistungen seiner Mitstreiter unterschlug oder unzureichend belohnte.

Sein Problem liegt ganz woanders – und verbindet sich mit dem Fluch des von ihm quasi mit Hyperantrieb aufgerüsteten Blockbuster-Kinos. Paradoxerweise war er einmal angetreten, die Hollywood-Studios das Fürchten zu lehren, das Filmemachen zu flexibilisieren und Geschichten mit persönlicher Handschrift zu erzählen.

Mit und neben “Star Wars” entwickelte sich indes ein neues System, das aber nach derselben kapitalistischen Logik funktionierte wie das alte Hollywood. Künstlerisch war es kein Fortschritt. Und Lucas wurde selbst zum Großfabrikanten, der sein jüngeres Alter ego, den ehrgeizigen, kämpferischen und experimentierfreudigen Filmemacher womöglich sogar kaltgestellt hat. Geschadet aber hat es ihm persönlich offenbar nicht. Happy Birthday zum 80.