Eine Frage des Tons: Ironie ist gefährlich
Für die Babyboomer ist Ironie selbstverständlicher Teil ihrer Lebenseinstellung. Das kann zu Missverständnissen führen. Denn Ironie kann gefährlich sein.
Die Bibel ist recht eindeutig, wenn es um Wahrheit und überflüssige Worte geht: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“, heißt es in den Zehn Geboten. Und Jesus legt in der Bergpredigt nach: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.“ Nicht herumschwafeln – immer schön die Wahrheit sagen.
Tatsächlich gibt es neben Lüge oder Wahrheit aber noch eine dritte Kategorie, wie Menschen miteinander umgehen: die Ironie. „Du siehst heute wieder schick aus“, begrüßt die Mutter die Tochter, wenn die unausgeschlafen und in zerknitterten Klamotten erscheint. „Was für ein prächtiges Wetter“, sagt der Kollege, wenn er die Regentropfen abschüttelt. Ironie ist, grob gesprochen, wenn man das Gegenteil sagt von dem, was man meint.
Typisch Babyboomer-Generation
Ironie ist typisch für die Babyboomer-Generation, also ungefähr die Jahrgänge 1950-1964, erklärt die Religionsphilosophin Gesine Palmer in einem Beitrag im Deutschlandfunk. Darin beschreibt sie, wie die Gespräche einer Bekannten mit der Tochter scheitern. Die Tochter fühle sich nicht ernst genommen. Die Mutter, Babyboomerin, treibe ständig und mit allem ihren Spott, nichts sei ihr heilig.
Ironie ist riskant. Zum einen muss man erst mal erkennen, dass etwas ironisch gemeint ist. Jesus sagt: „Selig sind, die Frieden stiften.“ Niemand käme auf die Idee, hier Ironie zu wittern. Wenn heute jemand den gleichen Satz Pazifisten im Ukrainekrieg verächtlich an den Kopf wirft, kann man sich da nicht mehr so sicher sein. Es kommt auf den Zusammenhang an, den Tonfall, den Gesichtsausdruck. In der digitalen Kommunikation, etwa auf Smartphones, werden deshalb Emojis genutzt: kleine Grafiken, die Gesichtsausdrücke wiedergeben. Symbol für Ironie: ein Augenzwinkern.
Ironie kommt nicht immer gut an
Aber selbst wenn Ironie erkannt wird, muss sie nicht gut ankommen. Siehe die Tochter im Beispiel oben: Da nimmt jemand mich nicht ernst, macht sich lustig, ist respektlos.
Warum gebrauchen Menschen also überhaupt Ironie? Um Distanz aufzubauen, sagt Gesine Palmer. Um Dinge besser ertragen zu können. Für die Babyboomer mögen es die Strenge und Gefühlskälte der Eltern- und Großelterngeneration gewesen sein. Ein übermäßiger Ernst, von dem man sich befreien wollte.
Nimm dich mal nicht so ernst –diese Botschaft der Ironie ist doch eigentlich ganz sympathisch. Zwischen all dem „Ja! Ja!“ und „Nein! Nein!“ dieser Tage täten ein bisschen Augenzwinkern und gemütvolle Selbstrelativierung ganz gut.
Aber, Vorsicht: Der Mensch, der Ihnen diese Zeilen schreibt, ist ein Babyboomer – und mit Ironie groß geworden.