Ein thüringisches Schloss wird saniert – und niemand weiß wofür

Zwölf Jahre hat der Kampf um die Enteignung des historischem Schloss Reinhardsbrunn gedauert. Doch seitdem findet das Land Thüringen keine Nutzung. Ministerpräsident Bodo Ramelow sucht nach Ideen.

Das Schloss Reinhardsbrunn ist während seiner 1.000-jährigen Geschichte schon vieles gewesen
Das Schloss Reinhardsbrunn ist während seiner 1.000-jährigen Geschichte schon vieles gewesenepd-bild / Paul-Philipp Braun

Die Schlosskapelle ist von allen Seiten von Baugerüsten umstellt, die Dacheindeckung abgetragen. Plastikplanen schützen das Gebäude vor Wind und Wetter. Der Rest der neogotischen Schlossanlage von Reinhardsbrunn liegt weiter im Dornröschenschlaf. Der Park ist verwildert. Blinde Fenster schauen aus verwittertem Mauerwerk. Alles Wertvolle ist weg. Uhr und Glocken aus dem Schlossturm beispielsweise wurden schon 2014 geklaut.

Die so ersehnte Rettung für das Ensemble im südlichen Landkreis Gotha nach jahrzehntelangem Verfall brachte erst die erfolgreiche Enteignung von Schloss und Park Reinhardsbrunn im November 2021. Zwölf Jahre hatte der Freistaat vor Gericht darum gekämpft, das historische Gemäuer aus den Fängen eines dubiosen Investors zu befreien.

Vor zwei Jahren wechselten Schloss und Park in das Eigentum des Freistaats Thüringen. Seitdem wird hin und her überlegt, wie künftig mit der Immobilie umzugehen ist. Von einer musealen Nutzung über einen Behördensitz bis hin zum Sitz einer internationalen Begegnungsstätte ist vieles denkbar und bereits gedacht worden. Bislang jedoch vergebens.

Diskussion um die Finanzierung

„Es gibt hinsichtlich der späteren Nutzung keine Präferenzen“, sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ideen habe es in den vergangenen Jahren viele gegeben – gut wie schlechte. „Aber was immer denkbar ist, am Ende muss es irgendwer finanzieren“, so der Ministerpräsident. Deshalb habe der Freistaat für den 9. Juni zu einer Fachtagung geladen, in der Nutzungs- und Finanzierungsvarianten für Schloss Reinhardsbrunn ausgiebig diskutiert werden sollen.

Der Ort ist während seiner 1.000-jährigen Geschichte schon vieles gewesen. Und er hatte dabei nie den Anspruch, ein besonderer Flecken Erde der Thüringer Landesgeschichte zu sein. Über das gesamte Mittelalter hinweg befand sich dort das Hauskloster der Thüringer Landgrafen. Im Deutschen Bauernkrieg wurde das geistige Zentrum der Region nach nur dreitägiger Belagerung zerstört.

Jugendherberge, Filmkulisse und NS-Kanzlei

Mit den Jahrhunderten ist die Immobilie dann als adeliges Jagdschloss aus den Ruinen auferstanden. 1827 wurde sie zur Sommerresidenz des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha umgebaut. Nach der Enteignung der Herzöge während der Weimarer Republik wurde die Schlossgeschichte unübersichtlich: Unterschiedlichste Hausherren gaben sich die Klinke in die Hand.

Das Schloss und sein weitläufiger Park waren zwischen 1925 und 1957 unter anderem Nobelherberge, Feuerwehrschule, Jugendherberge, Filmkulisse, Außenstelle der NS-Reichskanzlei, Ferienlager, Stätte der Evangelischen Erwachsenenbildung Thüringen – oder dann und wann einfach nur leerstehend. Nach 1996 wurde das Schloss noch einmal zur Nobelherberge und die Schlosskapelle zum Lagerraum der Hotelküche entwickelt.

In der Schlosskapelle beginnt der Bau
In der Schlosskapelle beginnt der Bauepd-bild / Paul-Philipp Braun

Die wechselnden Nutzungen und die damit verbundenen Wirrnisse über Jahrzehnte hinweg bargen bereits den Keim des Verfalls. So wusste etwa die DDR-Staatssicherheit Ende der 1970er Jahre vom Hoteldirektor „Diamantencharlie“ zu berichten, der Stücke der historischen Inneneinrichtung gegen Juwelen eintauschte. Die ersten wertvollen Fenster verschwanden in den 1980er Jahren bei Denkmalpflegearbeiten aus der Kapelle. Sie sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Vollends dem Verfall übergeben wurde die Anlage dann nach 2001, als das Hotel mangels Rentabilität den Betrieb einstellten.

Seit der Enteignung vor zwei Jahren hat der Freistaat bereits mehr als drei Millionen Euro in Reinhardsbrunn investiert – ohne Nutzungskonzept. Insofern ist der Baubeginn ausgerechnet in der Schlosskapelle Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit. Für die Thüringer Staatskanzlei ist es hingegen der naheliegende Schritt einer „nutzungsneutralen Bausicherung“. Ministerpräsident Ramelow ist sich sicher: Egal, was aus Schloss und Park am Ende einmal wird, der Kirchenraum bleibe als Versammlungsort – ob in weltlicher oder kirchlicher Form – in jedem Fall erhalten.