Ein schwieriges Erbe

Wie gehen Gemeinden mit Kriegerdenkmälern um? Eine schwierige Frage. Mancherorts gibt es Gegendenkmäler, an anderen Orten wird noch diskutiert.

An der Fischerkirche in Lübeck wurden 2009 die Namenstafeln der toten Soldaten kreuz und quer zu den Füßen einer verzweifelten Mutter aufgetürmt
An der Fischerkirche in Lübeck wurden 2009 die Namenstafeln der toten Soldaten kreuz und quer zu den Füßen einer verzweifelten Mutter aufgetürmtMarlise Appel / epd

Kiel. Vor einem Jahr wurde am Volkstrauertag im ostholsteinischen Schönwalde (Bungsberg) ein neuer Gedenkort für Kriegsopfer eröffnet. Die ehemalige Leichenhalle neben der Kirche war auf Initiative der evangelischen Gemeinde dafür restauriert worden. Zuvor waren im Zuge der Kirchenrenovierung die Namenstafel und das „Ehrenbuch“ aus der sogenannte Ehrenhalle im Eingangsbereich der Kirche entfernt worden. Es gehe auch um die Suche nach neuen Gedenkkulturen, sagt Gemeindepastor Arnd Heling. Der neue Mahnort sei neben den Soldaten auch anderen Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet.

Dass sich eine Kirchengemeinde entschließt, ihr Kriegerdenkmal zu erneuern, ist in der Nordkirche eher selten. Dabei wirken die traditionellen Denkmäler mit ihren martialischen Skulpturen und ihrer Verklärung der „gefallenen Helden“ für viele Gemeindemitglieder heute befremdlich. Vor allem Ältere jedoch wollen an der traditionellen Erinnerungskultur festhalten.

Verzweifelte Mutter

An der Fischerkirche in Lübeck-Schlutup wurde der Gedenkort 2009 völlig umgestaltet. Die Namenstafeln der toten Soldaten der „Ehrenmal-Anlage“ wurden vom Bildhauer Claus Görtz kreuz und quer zu den Füßen einer verzweifelten Mutter aufgetürmt. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht soll an das Leid des Zweiten Weltkriegs erinnern. In der Lübecker Altstadtkirche St. Jakobi ist das Kriegerdenkmal „Trauernder Landsturmmann“ von 1919 seit drei Jahren durch eine acht Meter hohe Stoffbahn verdeckt, ohne dass die Skulptur des alten Soldaten dahinter komplett verschwindet.

Neben einem Soldaten weint in Hamburg-Harburg ein Kind über einem Stahlhelm Foto:  Thomas Morell
Neben einem Soldaten weint in Hamburg-Harburg ein Kind über einem Stahlhelm Foto: Thomas MorellThomas Morell

An der St. Johanniskirche in Hamburg-Harburg wurde die Debatte bereits in den 1980er Jahren geführt. Mehr als vier Meter hoch ist die Stahlskulptur des marschierenden Soldaten mit grüner Patina. An seinem Sockel stehen Sätze wie: „Wunden zum Trotz/ Tatbereit heute wie einst“. Seit 1988 erinnert ein Gegendenkmal neben dem Soldaten an das Leid des Krieges: ein weinendes Kind kniet über Stahlhelmen. Auch die St. Johanniskirche Altona hat seit 1996 ein Gegendenkmal vor ihren Soldaten-Skulpturen.

Mit Stahlhelm und Lorbeerkranz

Doch in den meisten Kirchengemeinden überwiegen traditionelle Kriegerdenkmäler. Vor der Vicelinkirche in Bornhöved im Kreis Segeberg steht ein steinernes Monument mit dem „Eisernen Kreuz“ auf der Spitze. Ein Relief zeigt einen kampfbereiten Soldaten mit Stahlhelm und Lorbeerkranz. „Der Gott der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte“ von Ernst Moritz Arndt steht darunter. Konfirmanden hatten 2018 das Denkmal mit „Friedensfahnen“ behängt. Doch eine dauerhafte Neugestaltung sei derzeit nicht geplant, heißt es bei der Gemeinde. Wie an anderen Orten auch gehört das Denkmal auf Kirchengrund der Kommune.

„Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde“ heißt es etwa an der Kirche in Dänischenhagen bei Kiel. Das Zitat aus dem Johannis-Evangelium klingt, als ob sich Soldaten aus Liebe zu ihren Freunden töten ließen. „Heldentod ist ewiges Leben“ steht im ostholsteinischen Gleschendorf. In Süderende auf der Insel Föhr wird der Erste Weltkrieg als ein „Völkerringen“ verklärt.

Muskulös und fast nackt

„Haltet aus im Sturmgebraus!“ lautet die Inschrift auf dem Steinkreuz vor der St. Georgenkirche in Ratzeburg. Und daneben: „Viel Feind, viel Ehr“. 2014 veranstalteten zwei Künstlerinnen mit Jugendlichen aus der Umgebung und dem Ausland das Plakatprojekt „Denk mal! Unbequem!“, das sich kritisch mit dem Denkmal auseinandergesetzt hat. Eine Neugestaltung sei derzeit aber kein Thema, so die Gemeindepastorin.

Denkmal-Skulpturen von toten Soldaten sind meist idealisierend gestaltet. An der Segeberger Marienkirche liegt auf einem Sockel ein muskulöser, fast nackter Soldat mit Stahlhelm und abgebrochenem Schwert. Anders als die in den realen Kriegsschlachten erschossenen oder zerfetzten jungen Männer zeigt der „Sterbende Krieger“ in Bad Segeberg keinerlei Verletzung. Auch der „Sterbende Soldat“ vor der Rendsburger Christkirche liegt dort nahezu unversehrt mit Feldflasche und Stabgranate in der Hand.

Fünf Jahre diskutiert

Es sei zu überlegen, welche Botschaft über den Krieg mit solchen heroisierenden und martialischen Denkmälern vermittelt wird, sagt der Historiker Stephan Linck. Er ist Studienleiter für Erinnerungskultur an der Ev. Akademie und berät Gemeinden im Umgang mit ihren Kriegerdenkmälern. Entscheidend sei, dass sich die Gemeinde in einer Diskussion am Ende auf einen Konsens verständigt. Das seien aber „langwierige Prozesse“. Auf seiner Homepage www.denk-mal-gegen-krieg.de hat er zahlreiche Kriegerdenkmäler dokumentiert.

Auch in Schönwalde hat die Diskussion länger als fünf Jahre gedauert. Es habe erhebliche Widerstände gegen den neuen Gedenkort gegeben, erinnert sich Pastor Heling. Am Ende habe aber eine breite Mehrheit das Projekt unterstützt. Am Einweihungsfest vor einem Jahr beteiligten sich auch Feuerwehrleute, Bundeswehrsoldaten und Jugendliche. Rund 400 Bewohner bildeten eine Menschenkette von der Kirche zum neuen Mahnmal. (epd)