Ein Platz für Kinder

Es ist ein Angebot von vielen: der „Treffpunkt Bauwagen“. Am Rande eines Spielplatzes bietet der CVJM Bielefeld Kindern Aktivitäten an: basteln, spielen, toben. Darüber hinaus erleben sie dort Gemeinschaft. Vor 175 Jahren wurde der erste CVJM in London gegründet.

Ischa und Dejin kommen angeschlendert und setzen sich auf die Bank. „Was machen wir heute?“, fragen die beiden Mädchen. Dörte Jansen lächelt. Sie breitet Bastelmaterial aus und die Mädchen beginnen sofort damit, aus Wolle Bommeln zu machen. Dabei unterhalten sie sich und wollen wissen, was sie anschließend aus den Bommeln machen können.

Ein offenes Angebot für Kinder: der Bauwagen

Das Ganze spielt sich ab am Rande eines Spielplatzes in Bielefeld. Der CVJM Bielefeld kommt hier einmal pro Woche mit seinem Bauwagen. Auch in einem weiteren Stadtteil ist der CVJM an zwei Nachmittagen pro Woche mit seinem „Treffpunkt Bauwagen“ zu finden. „Wir haben immer Spiele, Bastelmaterial und Spielsachen dabei. Es wird das gemacht, was die Kinder gerne spielen wollen“, sagt Jonas Rottschäfer, Jugendreferent beim CVJM.

Heute kommt der Mega-Ball besonders gut an. Fast immer ist der riesige orange Ball im Einsatz. Die kleine Sofia möchte gerne mal auf dem Ball sitzen. Ihre Mutter Anna Hölzer hilft ihr dabei. Sofia strahlt, als sie an der Hand der Mutter auf dem großen Teil thront wie eine kleine Prinzessin. Später kommen drei größere Mädchen. Sie werfen sich auf den Ball, quatschen und kichern.

Viele Kinder in der angrenzenden Siedlung leben mit ihren Familien in kleinen Wohnungen ohne Garten. Viel Geld für Spielzeug haben die meisten Familien nicht. Auch deswegen ist der Bauwagen bei den Kindern beliebt. „Ich bastle total gern“, sagt Ischa. Die 11-jährige Kurdin kommt regelmäßig. Viele andere Kinder sind ebenfalls Kurden. Sie wollen nicht fotografiert werden, die Eltern fürchten die Macht des Islamischen Staates (IS). Sie hoffen, dass ihre Kinder hier in Frieden aufwachsen können und wollen nichts riskieren. „Wir treffen uns hier, spielen und es ist immer schön“, sagt Ischa unbekümmert.

Dörte Jansen und Anna Corona hören das gern. Die beiden Mitarbeiterinnen engagieren sich seit 2011 bei den Bauwagen-Projekt – also von Anfang an. „Manche Kinder haben wir aufwachsen sehen“, sagt Anna. „Einige sind jetzt selbst Mitarbeiter bei uns.“ Jonas Rottschäfer ist heute nur ausnahmsweise mal dabei, „weil unser Treckerfahrer nicht konnte, der sonst den Bauwagen hierher bringt“, sagt er. Jonas‘ Einsatz ist donnerstags und samstags am zweiten Standort.

Eine Frau mit Hund kommt vorbei. Sie fragt interessiert, was hier los ist. Jonas erklärt es ihr: eine offene Arbeit des CVJM. Ein Spielangebot für Kinder. Die Frau findet das gut und geht weiter. Ein festes Programm mit biblischer Geschichte, Liedern und Gebet gibt es hier nicht. „Das haben wir in den Jungschar-Gruppen“, sagt Jonas. Der einzige feste Punkt an den Nachmittagen des Bauwagen-Projektes ist die Pause. Da gibt es für die Kinder etwas zu trinken, Obst und Kekse.

Die Mitarbeiter fragen, wer mit Pause machen möchte. Im Nu sitzen etwa 15 Kinder am Tisch. Sie trinken Wasser und geben die Schüssel mit Apfelschnitzen herum. Erst wenn das Obst weg ist, gibt es Kekse. Während sie zusammensitzen, erzählen die Kinder allerhand. „So erleben sie Gemeinschaft, wir hören ihnen zu“, sagt Dörte.
Auch einige Mütter mit ihren Kindern kommen dazu. Sie freuen sich über das Angebot. „Mein Sohn spielt so gerne hier, er liebt die Fahrzeuge“, sagt Julia Lusta und deutet auf den Fuhrpark aus Bobby-Cars, Roller und ähnlichem. Sie trifft sich hier oft mit anderen Müttern. „Toll, dass es diesen Treff gibt. Und nichts kostet“, meint sie.
Am Nebentisch ertönt ein Schrei. Ein Junge hat seinen Wasserbecher umgeschüttet. Die Kinder machen sich einen Spaß daraus, Jonas mit dem Wasser nass zu machen. Der spielt mit, die Kinder lachen und kreischen.

„Ich mache diese Arbeit sehr gerne“, sagt Anna Corona. „Es ist vielseitig. Da treffen sich Menschen, die sonst nicht zusammenkommen würden.“ Oft kommt sie gut mit Eltern ins Gespräch, auch über den Glauben. „Die wollen oft wissen, warum es dieses Angebot gibt.“ Am wichtigsten sind Anna die Kinder. „Ich möchte sie herausfordern und sie vor allem spüren lassen, dass sie angenommen sind.“ Manche lassen sich zur Jung­schar oder in die Jugendgruppen einladen. Sie selbst, sagt Anna, hat dem CVJM viel zu verdanken. „Ich bin vor vielen Jahren auf einer Freizeit zum Glauben gekommen. Da war ich als Köchin dabei.“

Kleinkinder nutzen gerne die vielen Fahrzeuge

Der CVJM Bielefeld bietet auch heute noch Freizeiten an. Außerdem Jungschargruppen, Jugendtreffs und Abende für junge Erwachsene. Sogar ein kleines Wohnheim bietet der Verein an. Da ist Platz für zehn Studenten. Im Moment allerdings nicht, denn das CVJM-Haus wird renoviert – mit Eigenbeteiligungs-Aktionen. Der CVJM Bielefeld ist nicht der einzige in der Stadt. „Insgesamt 16 müssten es sein“, schätzt Jonas Rottschäfer. „Wir sind aber keine Konkurrenz“, betont er. „Wir machen gemeinsame Projekte wie etwa Mitarbeiterschulungen.“
Inzwischen sitzt kein Kind mehr am Tisch. Alle tummeln sich auf der Wiese. Seilspringen und der Mega-Ball sind wieder gefragt. Außerdem sind die meisten Fahrzeuge im Einsatz. Drei Mütter wollen gehen und sammeln ihre Kinder ein. „Nächste Woche komme ich wieder“, sagt Anna Hölzer.

Zum Jubiläum am 6. Juni haben sich die CVJM-Gruppen in Bielefeld zusammengeschlossen, um ein großes Fest auf dem Kesselbrink zu feiern. Ab 18 Uhr gibt es ein großes Picknick mit viel zu Essen, mit Musik, Luftballonstart, Spiel und Spaß.