Seit einem Jahr ist das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Inzwischen haben bundesweit mehrere tausend Menschen durch eine Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag geändert.
Vor einem Jahr, am 1. November, trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Es macht es für trans- und intergeschlechtliche Menschen einfacher, ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag im Pass zu ändern. Zuvor waren dazu psychiatrische Gutachten notwendig. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet wichtige Fragen zu dem Gesetz und nennt aktuelle Zahlen.
Welche Regelung galt bis zum 31. Oktober 2024?
Das zuvor geltende Transsexuellengesetz war über 40 Jahre alt. Danach mussten Menschen, die ihr Geschlecht im Pass ändern wollten, zwei psychiatrische Gutachten einholen und sehr intime Fragen beantworten. Diese Gutachten kosteten mehr als 1.000 Euro, und das Verfahren dauerte Monate. Entscheiden musste ein Gericht. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile dieses Gesetzes mehrfach als verfassungswidrig eingestuft.
Was beinhaltet das Selbstbestimmungsgesetz?
Mit dem Gesetz kann jetzt jede volljährige Person die Geschlechtsidentität im Pass frei wählen und selbst zwischen den Einträgen “männlich”, “weiblich”, “divers” oder “ohne Angabe” entscheiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Entscheidung auf einer empfundenen Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht (Transsexualität), auf biologisch uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen (Intersexualität) oder auf einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Geschlechtern (nichtbinäre Sexualität) beruht.
Wie läuft das Verfahren ab?
Zur unbürokratischen Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen ist durch das Selbstbestimmungsgesetz eine “Erklärung mit Eigenversicherung” ausreichend. Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sollen drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. In dieser Zeit hat die betroffene Person die Möglichkeit, die Änderung zu widerrufen. Die Entscheidung kann dann frühestens nach einem Jahr erneut geändert werden. Bei dem Gesetz geht es nicht um geschlechtsangleichende Operationen.
Welche Regelungen gelten für Minderjährige?
Junge Menschen, die noch nicht volljährig sind, aber das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall wird die Zustimmung durch das Familiengericht ersetzt. Maßstab dabei soll laut Gesetz – wie im Familienrecht allgemein – das Kindeswohl sein. Bei jungen Menschen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen. Eltern wird zudem die Eintragung “Elternteil” anstelle von “Vater” oder “Mutter” in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht.
Gibt es Ausnahmen?
Männer können ihren Geschlechtseintrag nicht ändern, wenn dies offenkundig in Zusammenhang mit einer drohenden Einberufung für einen Verteidigungsfall steht. Das Selbstbestimmungsgesetz soll nichts am privaten Hausrecht und der Vertragsfreiheit ändern. Damit können Besitzer von Fitnessstudios oder Saunen in Zweifelsfällen entscheiden. Auch die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden. Für Asylsuchende gibt es ebenfalls Ausnahmen. Sie können eine Anpassung ihres Geschlechtseintrags nur dann beantragen, wenn ihr Aufenthaltstitel nicht innerhalb der folgenden zwei Monate ausläuft.
Haben inzwischen viele Menschen von dem Gesetz Gebrauch gemacht?
Nach einer KNA-Umfrage in bundesweit rund 20 größeren Städten in Deutschland sind es mehrere tausend Menschen. Einige wenige haben den Geschlechtseintrag nach einem Jahr erneut geändert. In Berlin haben dies sieben Menschen getan.
Welche Kritik gibt es an dem Gesetz?
Es gibt die Sorge vor Missbrauch. Befeuert wurde die Debatte durch den Fall der Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich. Liebich, der zuvor unter dem Vornamen Sven aufgetreten war, hatte Geschlechtseintrag und Namen vor einem Haftantritt ändern lassen und erhielt dann eine Ladung in ein Frauengefängnis. Inzwischen wird nach ihm gefahndet. Zudem bemängeln Kritiker, wie das Gesetz den Umgang mit Jugendlichen regelt. Auch die katholische Kirche hatte dies beklagt. Im Koalitionsvertrag steht, dass das Gesetz bis zum 31. Juli 2026 evaluiert werden soll.