Ein Gottesgeschenk: Die Weinrebe ist „Heilpflanze des Jahres 2023“

Die Weinrebe ist „Heilpflanze des Jahres 2023“. Früchte, Kerne und Blätter der Weinrebe wirken entzündungshemmend. Es bleibt die ewige Frage: Ist Wein gut für die Gesundheit?

Für die Jury des Naturheilkundevereins Theophrastus ist die heilende Kraft des Weinstocks ein Geschenk Gottes
Für die Jury des Naturheilkundevereins Theophrastus ist die heilende Kraft des Weinstocks ein Geschenk GottesImago / blickwinkel

„Der Wein ist unter den Getränken das Nützlichste, unter den Arzneien die Schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das Angenehmste“, schrieb der griechische Philosoph Plutarch um 100 nach Christus. Die Pflanze kann aber weit mehr als den Rohstoff für Wein liefern: Für das Jahr 2023 ist die Weinrebe – auf Latein „Vitis vinifera“ – zur „Heilpflanze des Jahres“ gekürt worden.

„Der Weinstock hält besonders in seinen Früchten und Kernen, ja selbst in seinen Blättern, eine Fülle heilkräftiger Stoffe für uns bereit“, begründet die Jury des Naturheilkundevereins Theophrastus ihre Entscheidung. Er sei daher ein „Gottesgeschenk“. Jedes Jahr wird auf dem Heilkräuter-Fachsymposium des „Sächsischen Landeskuratoriums Ländlicher Raum“ die Heilpflanze des Jahres vorgestellt, 2022 war es die Brennnessel.

Christian Zörb ist Leiter des Fachgebiets „Qualität pflanzlicher Erzeugnisse und Weinbau“ an der Universität Hohenheim in Stuttgart und beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Pflanze. Weintrauben und Weinblätter enthielten Resveratrol, das zu den Polyphenolen gehöre, erklärt er. Diese seien die natürlichen Abwehrkräfte der Pflanzen und unterstützten die menschliche Gesundheit: Sie wirkten entzündungshemmend und als Antioxidantien, schützten also vor „freien Radikalen“, die in zu großer Menge zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit verursachen.

Französisches Rotwein-Paradox

Ideal für die Gesundheit ist laut Zörb vor allem der Verzehr von Weinblättern und Traubenkernöl. Saft solle wegen seines hohen Zuckergehaltes nur in Maßen getrunken werden. Darüber, ob Wein für die Gesundheit zuträglich ist, stritten sich die Experten, weshalb man keine absolut verlässlichen Aussagen treffen könne: „Die einen sagen, dass Alkohol generell ungesund sei, andere gehen davon aus, dass je nach Körpergewicht etwa ein Glas Wein pro Tag sogar gesundheitsförderlich ist, es also auf die Menge ankommt“, sagt der Professor für die Qualität pflanzlicher Erzeugnisse

Auch das „französische Paradox“ schaffe in dieser Frage keine Klarheit, wonach Franzosen, die traditionell Rotwein tränken, weniger an Herz- und Kreislauferkrankungen stürben als Menschen aus anderen Ländern. Denn auch hier sei die Frage, ob es an dem Wein liege oder zum Beispiel an der gesunden mediterranen Ernährung, sagt Zörb.

Wie Schwester Birgit Bek vom Franziskanerinnen-Kloster Reute im baden-württembergischen Bad Waldsee erklärt, sind rote und blaue Traubensorten gesünder als helle Trauben. Wegen ihrer roten Farbe enthielten sie Anthocyane, die zellschützend wirkten. Es gebe auch Hinweise darauf, dass Resveratrol im Kampf gegen Alzheimer helfen könne, entzündungshemmend sei und Hautalterung vorbeuge. Auch bei Depressionen und Diabetes könne Resveratrol helfen, erklärt die Fachfrau für Heilpflanzen.

Die biblische Weinwanderung

Bereits die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) hat die Heilkraft der Weinrebe erkannt. So empfiehlt sie die Rebtropfen, die beim ersten Schnitt des Weinstocks im Frühjahr hervortreten, zur Klärung der Augen zu verwenden. Mit Olivenöl beigefügt würden sie auch bei Kopf- und Ohrenschmerzen helfen, wenn die Tropfen auf die schmerzenden Stellen aufgetragen würden. Heute erleben die Tropfen, die auch „Rebwasser“ genannt werden, eine Renaissance in der Biokosmetik.

Bereits die alten Ägypter und Griechen hätten rot gefärbte Weinblätter bei Venenleiden verwendet, weiß Schwester Birgit Bek. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) erkennt rotes Weinlaub als pflanzliches Arzneimittel bei Venenerkrankungen an.

Pfarrer Reiner Köpf aus dem württembergischen Weinstadt-Beutelsbach ist durch seine „Luther-Weinproben“ bekannt und hat einen biblischen Weinwanderweg initiiert. „Beim barmherzigen Samariter wird der Wein als Desinfektionsmittel zur Reinigung der Wunden verwandt“, sagt er. Und ergänzt mit einem Augenzwinkern, man dürfe auch die psychosomatischen Wirkungen eines fröhlichen Miteinanders, das vom Wein befördert und gelockert werde, nicht unterschätzen: „Der Wein erfreut des Menschen Herz. Das wusste schon der Beter von Psalm 104.“