Ein Geschenk sorgt für Streit

Altkanzler Gerhard Schröder will der Kirche ein Fenster stiften, doch der Erbe des Architekten klagt dagegen. Jetzt haben sich die Richter vor Ort ein Bild gemacht – mit Aufnahmegerät.

Ortstermin in der Marktkirche: Richter Florian Wildhagen schaut genau hin, auch der Erbe des Architekten, Georg Bissen, ist gekommen
Ortstermin in der Marktkirche: Richter Florian Wildhagen schaut genau hin, auch der Erbe des Architekten, Georg Bissen, ist gekommenJens Schulze / epd

Hannover. So einen Gerichtstermin hat es in der Marktkirche in Hannover wohl noch nie gegeben. Streitpunkt ist das „Reformationsfenster“, das Altkanzler Gerhard Schröder (76) der Kirche stiften will. Jetzt haben sich zum Auftakt des Prozesses die Beteiligten bei einem Ortstermin ein Bild gemacht. Es gehe darum, „völlig unbefangen und nur dem Gesetz und Recht verpflichtet“ die Kirche auf sich wirken zu lassen, sagte der Vorsitzende Richter der 18. Zivilkammer am Landgericht Hannover, Florian Wildhagen.

Schröder will der Kirche das 13 Meter hohe Buntglasfenster schenken. Der Künstler Markus Lüpertz (79), ein Freund des Altkanzlers, hat dafür einen Entwurf mit Motiven der Reformation gefertigt, der bereits bei den „Glasstudios Derix“ in Taunusstein bei Wiesbaden in Arbeit ist. Anlass der geplanten Schenkung war das Reformationsjubiläum vor drei Jahren. Seither tobt ein Streit um das Fenster.

Kirchenvorstand sieht „Bereicherung“

Der Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde hat sich für einen Einbau in die mittelalterliche Backsteinkirche entschieden. „Wir sehen das Fenster als Bereicherung“, sagte der Vorsitzende Reinhard Scheibe.

So sieht das Fenster im Entwurf aus (Archivbild)
So sieht das Fenster im Entwurf aus (Archivbild)Jens Schulze / epd

Der Erbe des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1994), der in Tokio lebende Rechtsanwalt Georg Bissen, hat dagegen geklagt. Er war zu dem Ortstermin angereist. Als Inhaber der Urheberrechte macht er geltend, das moderne Fenster passe nicht in den gotisch geprägten Innenraum der Kirche. Oesterlen hatte die im Krieg zerstörte Kirche nach 1946 wiederaufgebaut und neu gestaltet. Bissen betonte: „Es geht darum, dass das Werk meines Stiefvaters in der großartigen Atmosphäre der Schlichtheit und Geschlossenheit erhalten bleibt.“

Schwarze Fliegen umstritten

Eine knappe Dreiviertelstunde lang machten sich drei Richter, Vertreter der Kirche, Bissen und die jeweiligen Anwälte vor Ort ein Bild. Richter Wildhagen protokollierte die Eindrücke mit einem Aufnahmegerät: „Es eröffnet sich das Hauptschiff, das geprägt ist von Backstein-Architektur.“ Ein besonderes Augenmerk fiel dabei auf die seitliche Fensterreihe mit in hochgestreckten gotischen Bögen kachelförmig gefassten Scheiben, die fast durchsichtig und nur leicht gefärbt sind.

Das Glaskunstwerk von Lüpertz soll eines dieser Fenster ersetzen. Sein Entwurf zeigt unter anderem eine große weiße Figur, die Martin Luther darstellen soll. Er ist vor allem wegen fünf großer schwarzer Fliegen auf dem Bild umstritten – auch in der Kirchengemeinde selbst. Hannovers Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes verteidigte die Entscheidung für das Werk, die der Kirchenvorstand als demokratisch gewähltes Gremium getroffen habe. „Das Fenster fordert heraus“, sagte er: „Kirche darf, Kirche muss sich verändern. Und Kirchenräume müssen sich verändern dürfen.“

Verhandlung am 3. November

Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht ist für den 3. November anberaumt. Die Kosten für Material, Herstellung und Einbau des Fensters werden auf rund 150.000 Euro geschätzt. Zur Finanzierung will Schröder Vortragshonorare weitergeben. (epd)