Ein Funke Ewigkeit

Ewig gleich unendlich? Ja, auch. Aber die rein zeitliche Vorstellung führt in die Irre. Gottes Ewigkeit ist ganz aktuell – und hinterlässt Spuren in der Welt

Ewigkeit. Was schwingt nicht alles mit in diesem Wort: Unendlichkeit. Ziel der Zeit. Ein neuer Himmel und eine neue Erde. Unvergängliches Leben.

Ein großes, schier unfassbares Versprechen. Einmal werden wir nicht mehr eingepresst sein in die Zwänge von tickender Zeit und Vergänglichkeit, von Abschied und Tod. Einmal wird alles aufgehoben sein, was wir an Fehlern, Scheitern, Schuld auf uns geladen haben. Einmal wird alles gut.

Dermaleinst – ja. Aber wie ist es heute? Spielt Ewigkeit bereits jetzt, in unserem Leben, eine Rolle – trotz des immer gleichen Rhythmus von Geburt und Sterben, Werden und Vergehen? Ist sie mehr als eine Hoffnung in einer fernen Zukunft?

Die Bibel weiß: Ewig ist nur Gott. Nur er ist völlig unabhängig von Zeit und Raum; nur er hat die völlige Souveränität über sein Dasein – wobei diese Worte ohnehin nur Annäherungen an die göttliche, ewige Wirklichkeit sind.

Aber die Bibel erzählt auch, dass Gott sich an Zeit und Raum gebunden hat: Als er die Welt mit allem Lebendigen darin schuf, machte er sich in seiner Beziehung zu diesem Lebendigen abhängig von den weltlichen Bedingungen. Wenn er sich uns Menschen offenbart, tut er das auf eine Weise, die wir sehen, hören, schmecken, fühlen können. Und auf diese Weise erleben wir auch, dass ab und zu ein Funke Ewigkeit in unser Leben fällt.

Wo? Das nehmen wir wahr, wenn wir aufmerksam um uns schauen. Zum Beispiel auf den nigerianischen Studenten, der aus der Ukraine geflohen ist. Eine deutsche Familie hat ihn aufgenommen; jetzt hat er seine Studienerlaubnis erhalten – und strahlt. Ein Funke Ewigkeit.

Dieser Funke scheint auch auf, wenn der Großvater auf dem Sterbebett seine Lieblingsenkelin erkennt und als letzte bewusste Reaktion ein Lächeln zeigt. Und er scheint auf in dem Moment, in dem die Sonne durch den Novembernebel bricht und die herbstlichen Blätter am Waldrand noch einmal so richtig aufleuchten lässt. Auch hier: ein Funke Ewigkeit.

In den orthodoxen Kirchen gibt es die Vorstellung, dass man sich mit der Feier der gottesdienstlichen Liturgie in die ewige Liturgie des Himmels einschaltet – eine Momentaufnahme der Ewigkeit sozusagen. Eine Vorstellung, die auch für den einen oder anderen nüchternen Protestanten etwas Vertrautes hat: Wer hätte nicht schon einmal im Gottesdienst, beim begeisterten Singen, beim Hören eines tollen Musikstücks oder bei einer mitreißenden Predigt, einen göttlichen Moment erlebt?

„Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell herein“, dichtete die ostwestfälische Pfarrfrau Marie Schmalenbach 1882, „dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine“. Denn so ein Funke Ewigkeit erhellt nicht nur das Herz, sondern auch den Verstand. Auch ein kleiner Lichtschein zeigt die richtige Richtung und erinnert daran, in welchem Namen und mit welchen Maßstäben wir im Leben unterwegs sind. Gottes Gebote, die das menschliche Zusammenleben regeln sollen, wurzeln in der Ewigkeit – und werden einmal unnötig sein. Nämlich dann, wenn Tod, Schuld und Zeit aufgehoben sind.