Ein Ersatz für die Famile

Die Diakonie-Jugendhilfe betreut unbegleitete junge Ausländer in einem neuen Wohnhaus. Ein Besuch vor Ort.

Einzug (v.l.): Abdul, Til Waschek und Ole Martens tragen die Kartons ins Wohnhaus
Einzug (v.l.): Abdul, Til Waschek und Ole Martens tragen die Kartons ins WohnhausFrerk Hinrichs

Collstede. Der 17-jährige Abdul aus Syrien war schon bei der Grundsteinlegung des neuen Wohnhauses der Jugendhilfe in Collstede dabei. Jetzt konnte er mit seinen Habseligkeiten einziehen. Ruckzuck war der Schrank eingeräumt, Bett bezogen, und die kleine Musikanlage zaubert mit arabischer Musik einen Hauch fernöstlicher Stimmung in das sonst noch etwas karge Zimmer im friesischen Bockhorn.
Auf Bitten des Kreises hatte sich die Diakonie zum Bau eines neuen Wohnhauses entschlossen, um unbegleitete minderjährige Ausländer aufnehmen zu können. Die meisten anderen Jugendlichen, die auch zur Grundsteinlegung gekommen  waren, sind inzwischen über 18 Jahre alt. Sie nutzen jetzt das Wohnangebot zur Verselbstständigung. Der Umfang der Betreuung ist bei ihnen geringer, erläutert Gruppenleiter Ole Martens: „Wir sind nicht mehr den ganzen Tag ansprechbar“. Auch die eigene Versorgung müssen die jungen Erwachsenen nun mehr und mehr selbst übernehmen.

Bote bringt Nachrichten zu Familien

Abdul hat sich für ein Zimmer in der Wohngruppe mit mehr Betreuung entschieden. Er will mit der Verselbständigung noch etwas warten. Bis er wirklich 18 ist. Die Mitarbeiter der Jugendhilfe sind für ihn wie für die anderen Jugendlichen so etwas wie Familienersatz. Sie können nicht wie die deutschen Jugendlichen regelmäßig zur Familie nach Hause fahren. Handy und Internet sind die einzige Möglichkeit, Kontakt zur Familie aufzunehmen. Manchmal braucht es dann sogar noch Boten, die die per Internet übermittelte Botschaft bis zur Familie in den unwegsamen Bergen tragen.
Die Bedeutung der Jugendhilfe als Familienersatz werde dabei umso wichtiger, als der Nachzug der richtigen Familie durch Gesetze und Verordnungen immer weiter erschwert werde, erläutert Martens. Die jungen Flüchtlinge hätten auf ihrer Flucht zwar bereits ein hohes Maß an Eigenständigkeit bewiesen und seien schnell zu jungen Erwachsenen gereift, erzählt er weiter. Aber sie freuten sich auch über Geborgenheit in der Einrichtung, den direkten Kontakt zu den Mitarbeitern und die individuelle Betreuung.
Murat, ein weiterer Bewohner, hat nach getaner Arbeit erstmal die neue Dusche ausprobiert und kam dann in die große Wohnküche im Zentrum des Hauses. Das wird der Treffpunkt, an dem alle zusammenkommen, ist sich Martens sicher. Vor allem, wenn erst einmal alle neun Plätze belegt sind. Im Moment kommen nicht mehr so viele Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland. Deswegen wird etwa die Hälfte der Plätze an deutsche Jugendliche vergeben.