Ein Coach für Kirchengemeinden

Pastor Martin Wiesenberg ist Gemeindeberater. Mal geht es um eine Fusion, mal um offene Kirchen. Ein Besuch in der Kirchengemeinde Elmenhorst.

Stephanie Schwenkenbecher

Elmenhorst/Abtshagen. „Ich bin dagegen“. Marita Penz, stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats von Abtshagen und Elmenhorst bei Demmin, positioniert sich gleich zu Beginn der Sitzung klar: Die Kirchen außerhalb der Gottesdienstzeiten zu öffnen, das will sie nicht. Und weil die Positionen dazu in der Gemeinde widersprüchlich sind, haben die Elmenhorster heute Gemeindeberater Martin Wiesenberg eingeladen. 
Wiesenberg ist seit 2015 mit einer halben Stelle beim Pommerschen Kirchenkreis für Gemeindeberatung und -begleitung angestellt, begleitet Gemeinden in Konflikten, aber auch, wenn sie sich über ihre Schwerpunkte klar werden wollen. Die Pasewalker haben mit ihm vor kurzem eine Gemeindekonzeption erstellt, andere kommen mit Einzelthemen zu ihm wie die Elmenhorster oder lassen sich in Übergangsphasen beraten. 
Für das Gespräch in Elmenhorst sind eineinhalb Stunden eingeplant. Gegenüber von Marita Penz sitzt Pastorin Viviane Schulz. Sie würde die Kirchen am liebsten ganztags offenhalten und Angebote für die Besucher gestalten. 

Pfarrer seit 1990

Die Idee, sich für ihre Diskussion Hilfe zu holen, kam ihnen bei der bischöflichen Besuchswoche Mitte März. Mit Bischof Abromeit war auch Wiesenberg zu Gast in Elmenhorst. Es folgten Gespräche: Wobei genau wünscht sich die Gemeinde Begleitung? Wie sind die Meinungen zum Thema? Welche Informationen benötigen sie? An diesem Abend ist Wiesenberg nun also zu Besuch. 
Er selbst  eröffnet die Vorstellungsrunde: Seit 1990 arbeitet er als Gemeindepfarrer, zurzeit mit einer halben Stelle in Demmin. Damals, als seine erste Gemeinde mit zwei weiteren Gemeinden fusionieren sollte, wünschte er sich Begleitung und rief im Konsistorium an, ob es für solche Prozesse Gemeindeberater gebe. Die hatte damals nur Mecklenburg. 
Sein Interesse wuchs, 2009 begann er eine Ausbildung zum Gemeindeberater und -begleiter, bei der es auch um Coaching, Gruppensupervision und Organisationsentwicklung ging. 

Bei Schulung mitgemacht

„Gemeinden brauchen nicht allein klar zu kommen. Sie können Gemeindeberatung in Anspruch nehmen“, lädt er heute ein und empfiehlt, lieber früher Begleitung zu suchen als zu warten. 
An diesem Abend hat er Pastorin Luise Müller-Busse mitgebracht, die Ehrenamtlichenbegleiterin in der Region. „Es ist immer besser, wenn zwei Leute so einen Prozess begleiten“, sagt er. Das habe sich in seiner Arbeit herausgestellt und sei Standard in der Gemeindeberatung.
Schon während der Vorstellungsrunde sammelt Wiesenberg die Positionen und Argumente der Beteiligten, schreibt sie auf ovale Zettel und pinnt sie an eine Moderationswand. Alles darf erstmal unkommentiert gesagt werden. 
Die Gemeinde hat sich vorbereitet auf das Thema. Marita Penz hat sogar schon an einer Schulung zu offenen Kirchen teilgenommen, erzählt nun davon, auf welche Schwierigkeiten geachtet werden müsste, weiß, wie die Gemeinde etwa im Fall eines Einbruchs versichert wäre. In ihrem Resümee räumt sie ein: „Darüber lässt sich nachdenken.“ 
Sie ist aber nicht die Einzige, die Vorbehalte hat. Luise Müller-Busse stellt eine grundsätzliche Frage: „Wozu sind unsere Kirchen da?“ Sie liefert ein paar Fakten zu möglichen Besuchern, den Chancen und typischen Fragen bei der Verwirklichung einer offenen Kirche. Mit ihrer Fragestellung zoomen sich die Elmenhorster aus ihrer Situation vor Ort heraus, betrachten sich von außen, als Teil einer viel größeren kirchlichen Gemeinde und als Teil der Gesellschaft.

Wie ein Kapitän

Dann dreht Wiesenberg die Moderationswand um, sortiert die Themen in Für und Wider ein. Wie von selbst geht das Gespräch über zu organisatorischen Fragen und wie sie gelöst werden könnten. 
Es fühlt sich ein bisschen an, als würde Wiesenberg ein großes Schiff steuern. Manchmal lässt er einen kritischen Satz im Raum stehen und schließt erst einmal einen anderen Gesprächsfaden ab – um zu einem späteren Zeitpunkt das Thema wieder aus dem Hut zu zaubern, das bei fortgeschrittener Fahrt schon nicht mehr ganz so groß aussieht. Die Einwände, die von Anfang an im Raum standen, werden nicht einfach umschifft, sie bekommen eine kritische Funktion in den Planungen. Wiesenberg ist es wichtig, in solchen Prozessen „niemanden auf der Strecke zu lassen“.
Und dann scheint plötzlich Land in Sicht. Nach eineinhalb Stunden sagt ein Teilnehmer: „Na, das könnte doch eine Lösung sein.“ Sie würden die Kirche erst einmal auf Probe öffnen, an einem Tag in der Woche, ein paar Stunden. Da können alle mitgehen. Jetzt geht es schnell. Die Elmenhorster wollen Nägel mit Köpfen machen, aber nicht gleich. Zu viel anderes steht an. Termine werden vereinbart, mit dem Förderverein muss gesprochen werden und mit den Nachbarn der Kirchen auch. In einem Jahr könnte es dann so weit sein. Wiesenberg ist zum Zuschauer geworden. So soll es auch sein, sagt er später, er habe eher eine Hebammenfunktion und wolle „etwas zutage bringen, was eigentlich schon da ist in der Gemeinde“, denn „die Lösung liegt im System selbst“.