Ein Brückenbauer wird Propst

Die Entscheidung ist erst im dritten Wahlgang gefallen: Nach langer Sitzung hat das Kirchenparlament des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg Philip Graffam zum Nachfolger von Pröpstin Frauke Eiben gewählt.

Nach der Wahl (v.l.):  Synoden-Präses Katrin Thomas, der neue Propst Philip Graffam, Pröpstin Petra Kallies und Bischöfin Kirsten Fehrs  im Ratzeburger Dom
Nach der Wahl (v.l.): Synoden-Präses Katrin Thomas, der neue Propst Philip Graffam, Pröpstin Petra Kallies und Bischöfin Kirsten Fehrs im Ratzeburger DomCarsten Papendieck

Ratzeburg. Es dauerte, bis der Gewinner feststand: Nach mehrstündiger Sitzung und insgesamt drei Wahlgängen haben die Synodalen im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg in Ratzeburg Philip Graffam ins Amt des neuen Propsten für die Propstei Lauenburg gewählt. Sein Eindruck am Tag nach der Wahl: „Ich bin tatsächlich­ noch etwas überwältigt und muss das Ganze bei mir erstmal sacken lassen“, so der Theologe. „Es ist im Moment noch eine Mischung aus Freunde, Respekt vor der großen Aufgabe und Dankbarkeit, dass nun endlich die Entscheidung gefallen ist.“ Mitbewerber war Pastor Karsten Wolkenhauer.

Graffam tritt die Nachfolge von Frauke Eiben zum 1. August an. Predigtstätte des neuen Propstes wird der Ratzeburger Dom sein: Dort findet am Sonntag, 4. September, der offizielle Einführungsgottesdienst von Philip Graffam statt. Gesicht der Domgemeinde bleibt aber Domprobst Gert-Axel Reuß – Probst mit „b“. Der Pastor trägt aus historischen Gründen diesen Titel. Er geht zurück auf die Zeit, in der Ratzeburg sowohl Bischofssitz als auch Heimat der Prämonstratenser war. Sie nannten den Leiter des Domkapitels, also ihrer Gemeinschaft, Domprobst.

Weltweite Erfahrung in Seelsorge

Der neue Propst Graffam lebt und arbeitet bislang als Pastor in der Kirchengemeinde in Lauenburg an der Elbe. In der kommenden Zeit will er die 34 Kirchengemeinden mit insgesamt 72.000 Mitgliedern kennenlernen und sich ihnen selbst vorstellen. Gleiches gilt für die Dienste und Werke, die Verwaltung und die Mitarbeiter im Kirchenkreis. „Es ist sehr wichtig für mich ein Bild vom Kirchenkreis zu bekommen, herauszubekommen, was die Gemeinden bewegt und welche Fragen sie auch an mich als ihren Propst haben“, so der Seelsorger.

Der Ratzeburger Dom ist die Predigtstätte des künftigen Propstes
Der Ratzeburger Dom ist die Predigtstätte des künftigen PropstesStephan Wallocha / epd

Er bringt dazu sogar weltweite Seelsorge-Erfahrung und theologisch kluge Reflexion mit. Diese Eigenschaften jedenfalls verknüpfte Bischöfin Fehrs mit dem Theologen, den sie vor der Wahl gleichberechtigt mit Pastor Karsten Wolkenhauer vorstellte. Doch durch seine eigene Geschichte sei inwendig in ihm verankert, dass Konflikte und Zerstrittenheit nur durch kontinuierliches Gespräch und eine glaubwürdige Versöhnungshaltung zu bewältigen seien, so Fehrs: „So erweist er sich als Brückenbauer per excellence.“

Dass er Kirche weltweit seit seiner Kindheit erlebt hat, hatte Graffam bereits im Rahmen der Kandidatur deutlich gemacht. „Ich habe Kirche auf drei Kontinenten erlebt, bin dem ländlichen Raum sehr zugetan und mit ganzer Leidenschaft Pfarrer“, sagt der Pastor über sich selbst. Geboren und aufgewachsen ist er im äthiopischen Addis Abeba. Im Missionsseminar in Hermannsburg sowie am „Presbyterian Theological Seminary“ in Seoul in Südkorea studierte er Theologie. Nach dem Abschluss des Studiums in Greifswald wurde er Vikar in Stralsund und arbeitete 13 Jahre als Pastor in Lassan. In Lauenburg lebte er eine seiner Leidenschaften aus: das Theaterspielen. Er baute eine Kindertheatergruppe sowie eine generationsübergreifende Theatergruppe in der Gemeinde auf.

Was der neue Propst angehen will

Die bedeutendste Herausforderung als Propst sieht Graffam darin, als Kirche vor Ort möglichst nahe an den Menschen sein – es gehe darum, „ihre Fragen an das Leben wahrnehmen und versuchen Antworten und Perspektiven zu finden und zu entwickeln“. Das könne nur durch ein starkes Hineinwirken in das Gemeinwesen gelingen. „Als Kirche müssen wir offen sein. Offen für die Belange unserer Zeit. 2030 steht vor der Tür, und wir machen die herausfordernde Erfahrung, dass wir als Kirche weniger werden. Ich möchte mich einsetzen um starke, offene ansprechende Projekte zu initiieren, die Kirche als „Meinen Ort“ beschreiben, und von uns glaubhaft gelebt werden.“ Dazu müsse vor allem das Ehrenamt gestärkt werden.

Direkt nach der Wahl gratulierte Synoden-Präses Katrin Thomas dem erfolgreichen Kandidaten. Der Weg in die Zukunft von Kirche und Gemeinden brauche eine Führungspersönlichkeit mit den besonderen Gaben des Zuhörens, des Vermittelns und des Mutmachens, sagte Thomas: „Wir haben jemanden gefunden, der schon in den Wochen des Bewerbungsverfahrens deutlich gemacht hat, dass er für die Menschen in unserer Propstei da sein wird.“

Orte neu entdecken

„Kirche vor Ort ist für mich die stärkste Basis für kirchliches Wirken und Handeln. Aber der Ort Kirche findet sich nicht nur in den historisch gezogenen Grenzen der Parochie Gemeinde“, sagt dieser. Genauso sei sie vertreten im seelsorgerlichen Gespräch am Telefon, auf einem Festival für Jugendliche, in der digitalen Kirche und an vielen weiteren Orten. Graffam: „Die Orte neu zu entdecken und im Kirchenkreis zu kommunizieren, da möchte ich versuchen meine Akzente zu setzen.“