Ein Bagger steht dem Klimaziel im Weg

Auf dem Friedhof Rahlstedt hatten sie ein ehrgeziges Ziel: Bis 2020 wollten sie klimaneutral werden. Das hätte fast geklappt  – wenn nicht der Bagger gewesen wäre.

Friedhofsverwalter Matthias Habel  vor einem Friedhofsbagger
Friedhofsverwalter Matthias Habel vor einem FriedhofsbaggerJulia Fischer / epd

Hamburg. Manche Entwicklung lässt sich einfach nicht 15 Jahre vorhersagen. Im Jahr 2005 steckten sich der Leiter des kirchlichen Rahlstedter Friedhofs in Hamburg, Matthias Habel, und sein Team das Ziel, bis 2020 direkt kein CO2 mehr auszustoßen. Damals waren sie guter Dinge. Heute wissen sie, dass sie dieses Ziel zwar zu 95 Prozent erreicht haben – doch die letzten fünf Prozent sind kaum zu schaffen. Der Grund ist vor allem der Friedhofsbagger: ein 90 Zentimeter breites, zwei Meter hohes dunkelgrünes Ungetüm mit vier kräftigen Rädern und einer gewaltigen Schaufel.

Ein Friedhofsbagger ist kein normaler Bagger, eher „ein Nischenprodukt“, sagt Habel. Er muss sehr schmal sein und aus bis zu drei Metern Entfernung sehr tief baggern können. In ganz Deutschland gibt es nur drei Hersteller. Einer davon war dabei, einen elektrisch betriebenen Friedhofsbagger zu entwickeln – mit Input der Rahlstedter Praktiker. Doch durch einen Verkauf des Unternehmens wurde das Projekt gestoppt. Habel musste seinen neuen Bagger mit Verbrennungsmotor anschaffen.

Sägen nur mit Verbrennungsmotor

Auch andere Geräte, die für den Alltag eines Friedhofsgärtners unerlässlich sind, stehen dem Klimaziel noch im Weg. Profi-Rasenmäher und Kettensägen gibt es derzeit nur mit Verbrennungsmotor. Die kleinen Kipp-Laster, mit denen das Personal Grabsteine, Geräte und Pflanzen übers Gelände transportiert, gibt es zwar mit Elektromotor. „Aber die haben teils noch so viele Kinderkrankheiten, dass wir von weiteren Käufen erstmal abgesehen haben“, so Habel. Also stehen noch drei Benziner auf dem Betriebshof.

In den ersten fünf Jahren war es leichter, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sagt Habel: Bis 2010 erreichte der Friedhof 65 Prozent. Die große Kapelle war energetisch renoviert, eine Photovoltaikanlage gebaut und der gesamte Betrieb auf „grünen“ Strom umgestellt worden. „Wir sind stolz auf das, was wir seitdem geschafft haben, aber wir müssen zerknirscht zugeben, dass wir unser Ziel nicht komplett erreichen werden.“ Momentan verbraucht der Friedhof noch rund 2.000 Liter Diesel und 500 bis 1.000 Liter Benzin. Hinzu kommen 1.000 bis 2.000 Kilometer mit den Privat-Pkws der Mitarbeiter, denn der Friedhof besitzt kein eigenes Auto für Besorgungen außerhalb des Geländes.

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Aber 10 von 15 Fahrzeugen aus dem Fuhrpark fahren immerhin schon elektrisch. In der eigenen Kompostanlage werden jährlich 4.000 Kubikmeter Grünabfälle zu Muttererde verwandelt. Das Gießwasser kommt aus einem eigenen Brunnen in 63 Meter Tiefe. Das Gas für die Heizungsanlage und Kleingeräte wird zu 100 Prozent ökologisch gewonnen – aus Zuckerrüben-Abfällen. Für die Maßnahmen wurde der Friedhof mit dem „Ökoprofit“-Siegel versehen und ist seit 2017 Partner der Stadt Hamburg.

Der Rahlstedter Friedhof ist der viertgrößte in der Nordkirche. Dabei zählt nicht die Fläche (10,5 Hektar), sondern die Anzahl von 650 Bestattungen pro Jahr – freitags können das schon mal sechs Zeremonien sein. Insgesamt gehören 32 Mitarbeiter zu Habels Team. Der Wettbewerb unter den kirchlichen Friedhöfen im Norden ist hart, denn es gibt deutlich mehr Friedhöfe, als Grabstätten tatsächlich benötigt werden. Das ökologische Profil in Rahlstedt soll durchaus ein Alleinstellungsmerkmal sein. „Aber man muss auch den inneren Antrieb haben“, sagt Habel.

„Der Ökospinner-Chef“

Der 41-Jährige ist gelernter Gärtnermeister und Betriebswirt. Er kennt sich aus mit aktuellen Diskussionen um den Einsatz von Glyphosat oder alternative Mobilität. Er hat ein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein, verteidigt diese Sicht aber nicht verbohrt, sondern bedenkt auch die Gegenseite. Er kennt und respektiert sowohl die Argumente der Landwirte als auch die der Umweltschützer.

„Bei manchen Mitarbeitern bin ich wohl der Ökospinner-Chef.“ Die würden das bei der Arbeit respektieren – privat fahren sie aber doch lieber SUV statt Fahrrad, sagt er, ganz ohne Vorwurf. Am Ende des Gesprächs verabschiedet er sich schnell, denn noch befindet sich der Vater zweier Kinder in Halbtags-Elternzeit. Er muss los, um die Kleinen von der Kita abzuholen – natürlich mit dem Fahrrad. (epd)