Ein Abschied auf Raten

Vor fünf Jahren hat der Kirchenkreis Hamburg-Ost seine Kirchen und Gemeindehäuser benotet – und einige als verzichtbar eingestuft. Sie bekamen kein Geld mehr für den Unterhalt. Was geschah seither?

Die Harburger Dreifaltigkeitskirche ist vom Kirchenkreis als verzichtbar eingestuft worden
Die Harburger Dreifaltigkeitskirche ist vom Kirchenkreis als verzichtbar eingestuft wordenHermann Straßberger

Hamburg. „Meine Trauerarbeit ist inzwischen vorbei“, sagt Sabine Kaiser-Reis, wenn sie an die Harburger Dreifaltigkeitskirche denkt. Seit 25 Jahren ist sie dort Pastorin. Doch einen Gottesdienst hat sie dort schon lange nicht mehr gefeiert. Denn die Kirche soll aufgegeben werden. Der Kirchenkreis stufte sie als verzichtbar ein. „Im Augenblick sind alle froh, wenn das Gebäude nicht verkommt.“

Vor fünf Jahren hat die Synode des Kirchenkreises Hamburg-Ost ein Gebäudekonzept beschlossen, wonach bis 2026 rund ein Drittel der Kirchen und Gemeindehäuser nicht mehr genutzt werden sollen. Der Grund: angesichts sinkender Mitglieder und immer geringerer Einnahmen sollen die Kräfte gebündelt und an weniger Standorten intensive kirchliche Arbeit finanziert und geleistet werden. Dazu wurden die Gebäude klassifiziert: unverzichtbare Kirchen wie die Hauptkirchen oder historische Schmuckstücke erhielten ein „A“, als verzichtbar gelten dagegen kleinere Stadtteilkirchen in Wohngebieten, aber auch Gotteshäuser fusionierter Gemeinden. Diese „C-Gebäude“ bekamen fortan kein Geld mehr für den Unterhalt der Gebäude.

Geesthachter Kirche entwidmet

Wie in Geesthacht. „Zwei Gebäude waren auf lange Sicht zu viel – und das nicht nur aus monetären Gründen, sondern auch in Bezug auf die Strahlkraft als Gemeinde“, erklärt Gunnar Penning. Seit 30 Jahren ist er Pastor in Geesthacht. 2005 fusionierten die örtlichen Gemeinden. Jede brachte ein Kirchengebäude mit. Im vergangenen November entwidmeten sie die St.-Petri-Kirche. Es bleibt die Salvatoris-Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Ein „A“-Gebäude.

Ein Altar ohne Pastor – ist das bald öfter zu sehen? (Symbolbild)
Ein Altar ohne Pastor – ist das bald öfter zu sehen? (Symbolbild)Privat

Zwölf Kirchen und zwei Gemeindehäuser sind in den vergangenen fünf Jahren entwidmet worden – oder es gab eine Entscheidung zu ihrer Aufgabe. „Das ist ein langer und individueller Prozess, den die Gemeinden da gehen“, weiß Kirchenkreissprecher Remmer Koch. Kirchen sind besondere Orte, prägen Stadtbilder und haben auf die Menschen, selbst nicht-religiöse, eine besondere Wirkung. Was mit den geschlossenen Gebäuden passiert, ist ganz unterschiedlich. Die Osterkirche in Eilbek beherbergt heute eine bulgarisch-orthodoxe Gemeinde, die Wilhelmsburger Paul-Gerhard-Kirche ist bereits abgerissen.

In Geesthacht dauerte der Prozess von den ersten Überlegungen bis hin zu Entwidmung der St.-Petri-Kirche zwölf Jahre. „Wir wollten nicht mit dem Rücken an der Wand entscheiden“, so Penning. Weil das Gebäude vom Kirchenkreis außerdem ein „C“ erhielt, bestätigte die Gemeinde 2016, sich von dem inzwischen 57 Jahre alten Mauern zu trennen. Was mit dem Gebäude geschieht, ist noch nicht entschieden. Das Amt für Denkmalschutz ist eingeschaltet, aber auch ein Antrag auf Abriss gestellt. „So konsequent muss man schon denken“, sagt Penning.

Nur noch sporadische Gottesdienste

Ähnlich ist die Situation in der Kirchengemeinde Harburg-Mitte rund 30 Kilometer weiter elbabwärts. „Schon bei unserer Fusion 2006 war klar, dass wir nicht beide Kirchen unterhalten können“, sagt Kaiser-Reis. Anfangs hätte sich die Gemeinde noch mit den Gottesdiensten in den Kirchen abgewechselt, doch schon bald sei in der Dreifaltigkeitskirche nur noch sporadisch gefeiert worden, erinnert sie sich. Zusammen mit dem Kirchenkreis versuchte die Gemeinde noch mit dem Projekt Klangkirche Konzerte zu etablieren, „aber mit acht Konzerten im Jahr kann man kein Gebäude bespielen. Seit 2009 arbeiten wir an einem Konzept.“

Suche nach Käufer

Doch einen Käufer für eine Kirche zu finden, ist nicht leicht. Es folgten Gesprächsrunden und Machbarkeitsstudien. Interessenten kamen und gingen. „Es scheitert entweder an den Auflagen des Denkmalschutzes oder am Finanziellen“, so Kaiser-Reis. Seit 2019 läuft ein Interessensbekundungsverfahren. Zwei Bewerber sind in der engeren Auswahl.

Wenn Gunnar Penning an der St.-Petri-Kirche entlang geht, ist er froh. Bauarbeiten haben begonnen. Für die kommenden zwei Jahre wird das Grundstück eine Kita beherbergen. „Ich freue mich über den sinngebenden Erhalt.“ In zwei Jahren soll endgültig entschieden werden, was mit dem Gebäude geschieht.