Ehrlich sein – und freundlich

Nicht immer ist es einfach, einem anderen Menschen die Wahrheit zu sagen. Denn die ist oft schwer zu ertragen. Dennoch gibt es Situationen, in denen Wahrheit wichtig ist. Wie kriegt man‘s hin?

Sieben Wochen ohne Lügen. Das ist das Motto der Fastenzeit. Es ist ein gutes Motto. Ehrenwert.
Aber: Klappt es denn? Wie ist das, wenn wir immer knallhart die Wahrheit sagen? Es ist fraglich, ob es gut ankommt, wenn wir der Schwester sagen, dass sie nervt, wenn sie anderen ständig ins Wort fällt und nicht zuhören kann. Oder dem Freund zu verstehen geben, dass er Abstand halten soll, weil er Mundgeruch hat. Oder die Nachbarin erfährt, dass sie nur aus Mitleid zum Kaffeetrinken eingeladen wird.
Ganz so einfach ist es nicht, schonungslos die Wahrheit zu sagen. Schließlich soll der andere nicht vor den Kopf gestoßen werden. Ehrlich sein soll nicht bedeuten, zerstörerisch zu sein. Die Wahrheit soll eine Chance haben, den anderen zu erreichen.

Die Frage ist auch, welche Motivation haben wir, wenn wir dem anderen sagen, was uns wirklich durch den Kopf geht? Für Christinnen und Christen sollte von vornherein klar sein, dass wir unserem Gegenüber nichts Schlechtes wollen.
Dass wir zum Bespiel daran interessiert sind, den anderen vor etwas zu schützen. Etwa, wenn wir jemanden darauf aufmerksam machen wollen, dass er Mundgeruch hat. Wenn uns das auffällt, merken das auch andere und stören sich vermutlich daran.
Nur wie macht man das?

Eine Möglichkeit ist es, vorher zu fragen, ob man auf etwas Unangenehmes aufmerksam machen dürfe. Und selbstverständlich kommt es auch auf den Ton an.
Komplizierter wird es, wenn uns jemand nervt. Wenn eine nahestehende Person – die Partnerin, Geschwister oder eine Freundin – Angewohnheiten hat, die uns innerlich auf die Palme bringen. Oder aber wenn wir uns in einer Beziehung nicht gut geht, weil der andere nur sich sieht. Oder uns verletzt, ohne das zu bemerken.

Auch wenn es schwer ist und Überwindung kostet: Dann ist es besonders wichtig, die Wahrheit zu sagen. Denn sonst steht die Freundschaft oder die Partnerschaft auf dem Spiel. Wer zu lange nicht die Wahrheit sagt, bei dem kann leicht ein „Stau“ entstehen. Irgendwann platzt die Wahrheit heraus – und dann meist unkon­trolliert und zerstörerisch.

Wenn wir Probleme ansprechen wollen, ist es gut, den anderen darauf vorzubereiten. Schon mal ankündigen, dass Gesprächsbedarf besteht. Deutlich machen, dass mir die Beziehung, die Freundschaft wichtig ist, dass ich es gerade deswegen für nötig halte, ehrlich zu sein.

Und dann auf die Formulierungen zu achten: den anderen nicht anklagen. Stattdessen sagen, was ich beobachte. Wie es mir mit ihm geht. Wie ich ihn erlebe. Gut kann es sein, zu fragen: „Wie geht es dir, wenn du das hörst?“ Sonst ist die Gefahr groß, dass der andere sich sofort verteidigt. Dann wird mein Anliegen bei ihm nicht ankommen. Doch auch mein Gegenüber soll die Chance haben, die Wahrheit zu sagen.
Als Christinnen und Christen haben wie außerdem die Möglichkeit, Gott zu bitten, dass er so ein Gespräch begleiten möge. Nicht nur in der Fastenzeit.