Ehrenamtliche erleichtern Flüchtlingen den Start
Fremd in einem fremden Land mit einer unbekannten Sprache, Bürokratie und einer unklaren Zukunft. Abhilfe wollen Ehrenamtliche schaffen, die die Geflüchteten dabei unterstützen, sich zurechtzufinden.
Kurz vor Weihnachten 2021 wurde es ernst: Am 20. Dezember 2021 nahmen Bernd Hüneburg und Denise Schnupf an der Autobahn in Hamm eine Familie aus der Demokratischen Republik Kongo in Empfang, um sie in ihre neue Heimat in Witten zu bringen. „Völlig erschöpft krabbelten eine Mutter und ihre drei Söhne in Badelatschen aus dem Bus“, erinnert sich Bernd Hüneburg. Hinter ihnen liegt die Flucht aus dem Kongo, ein mehrjähriger Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Kenia und schließlich die Ankunft in Deutschland, zunächst in einem Auffanglager in Dobalug-Kirchhein, bevor es nach Westfalen ging.
Schutzbedürftige Menschen aufnehmen
Die Familie ist über das Programm des Bundes „NesT – Neustart im Team“ nach Deutschland gekommen. Hier arbeiten Staat und Zivilgesellschaft Hand in Hand, um besonders schutzbedürftige Menschen aufzunehmen. Die Auswahl der Flüchtlinge erfolgt nach den Schutzkriterien des UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen).
Das Besondere an NesT ist das zivilgesellschaftliche Engagement als Basis: Ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren, die intensiv geschult werden, unterstützen die Flüchtlinge dabei, in Deutschland richtig anzukommen, eine neue Heimat zu finden. Also ist der künftige Wohnort der Schutzbedürftigen auch der Wohnort der Mentoren.
„Unsere Mentoren werden von einer Zivilgesellschaftlichen Kontaktstelle, ZKS, begleitet. Einer der ZKS-Standorte ist bei uns im Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, kurz IKG, angesiedelt“, berichtet der Projektleiter beim IKG Axel Rolfsmeier.
In kürzester Zeit musste ein Leben organisiert werden
Mechthild Jeannes und Bernd Hüneburg gehören zum harten Kern einer solchen Mentorengruppe, die für die Familie aus dem Kongo mit ganzem Herzblut da sind. Aufmerksam geworden sind sie auf das Programm über die Wittener Kirchengemeinde. Die Finanzierung läuft in diesem Fall über den Kirchenkreis, alles andere liegt in den Händen der Mentoren.
Ursprünglich ist die Gruppe mal mit fünf Mentoren gestartet, krankheits- und umzugsbedingt ist sie jedoch im Laufe der Zeit auf Jeannes und Hüneburg geschrumpft. Kannten die beiden sich zuvor noch nicht, so arbeiten sie sehr erfolgreich Hand in Hand. „Diese Art von Engagement für die Integration zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben“, berichtet die inzwischen pensionierte Lehrerin in der Erwachsenenbildung Jeannes.
Schon 2019 gegründet, kam den Mentoren zunächst die Corona-Pandemie dazwischen, bevor sie Ende 2021 endlich auf ihre Schützlinge trafen. Auch wenn die Wohnung schon zuvor organisiert war, musste gerade am Anfang ganz viel schnell passieren. „In kürzester Zeit musste hier ein Leben für die vierköpfige Familie aus dem Boden gestampft werden“, berichtet Mechthild Jeannes.
Übersetzung: kuriose Missverständnisse
Dazu gehören die Anmeldung bei der Stadt und bei Schule und Kindergarten, das Organisieren von Sprachkursen und der richtigen Kleidung für Deutschland und vieles mehr. Und das alles mit und für Menschen, die selbstverständlich kein Deutsch, aber auch kein Englisch oder Französisch sprechen. Da wird dann schon mal die Google-Übersetzung bemüht, auch wenn das in manchen Fällen zu kuriosen Missverständnissen führt.
Beharrlichkeit und Geduld sind von Mechthild Jeannes und Bernd Hüneburg gefordert. Da darf auch die Puste nicht ausgehen, wenn das Warten auf Integrationskurse noch immer anhält. Die beiden haben sich ihre diversen Aufgaben für die Geflüchteten aufgeteilt. Der noch berufstätige Gutachter für Banken Bernd Hüneburg hat die Kommunikation mit diversen städtischen Ämtern übernommen, Mechthild Jeannes ist für Kindergarten und Schule – die Jungs sind inzwischen drei, acht und 13 Jahre alt – zuständig. Da ist ständig etwas zu klären oder zu helfen.
Aktuell gilt es, eine Nachhilfe für die Schule auf die Beine zu stellen. Aber auch die Mutter benötigt Aufmerksamkeit, auch ihr muss eine Perspektive gegeben werden, damit sie in Deutschland Wurzeln schlagen kann. Das Erlernen der Sprache oder auch die Aussicht auf Arbeit stehen hier im Fokus. Und es gibt schon kleine Erfolge. Auch wenn der Gang zum Elternsprechtag oder der Arztbesuch noch begleitet werden müssen, gelingt der tägliche Einkauf schon allein.
Würden die beiden Mentoren es noch einmal machen und ihre Kraft in dieses Engagement stecken? „Ja, wir würden den Schritt noch einmal gehen“, sind die beiden sich einig. Auch wenn sie manchmal nicht wissen, wie stark das Band zwischen ihnen und der schutzbedürftigen Familie wirklich ist. „Feiern wir wieder zusammen Weihnachten“, hat die geflüchtete Mutter, die hier nun ihr zweites Fest von Christi Geburt erlebt hat, Mechthild Jeannes gefragt. Vielleicht ist gerade das eine Antwort auf die Frage nach der Verbundenheit.
• Wer sich auch für Flüchtlinge engagieren möchte, wendet sich an Axel Rolfsmeier im Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, E-Mail: axel.rolfsmeier@kircheundgesellschaft.de, Telefon (0 23 04) 75 53 44 und unter www.neustartimteam.de