«Dylan tanzte nachts an der Autobahnraststätte»

Der Verleger Georg Stein über Schwierigkeiten eines Dylan-Interviews

Heidelberg/Köln (epd). Wer ein Interview mit dem Musiker Bob Dylan führen will, muss auf alles gefasst sein. Der Journalist und Chef des Heidelberger Palmyra-Verlags, Georg Stein, war bei rund 100 Konzerten und auch bei Dylan zu Hause, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) erzählte. Das fest vereinbarte Interview kam jedoch nie zustande. Persönliche Begegnungen gab es dann aber trotzdem – etwa nachts in der Raststätte an der Brenner-Autobahn, wo sich Dylan einen Tiroler-Hut kaufte.

 

epd: Wie kam es dazu, dass Sie sich so intensiv mit Bob Dylan beschäftigt haben?

Stein: Ich habe Bob Dylan bei seiner «Temple In Flames»-Tour im Jahr 1987 durch ganz Europa begleitet und habe ihn wohl 100 Mal live gesehen. Da entstand das erste Dylan-Buch des Palmyra-Verlags – der Fotoband «Bob Dylan – Temples In Flames». Nach und nach kamen dann noch vier weitere Bücher hinzu, unter anderem die drei Bände von Paul Williams. Im Musikprogramm des Verlags spielt Dylan somit schon eine besondere Rolle.

 

 epd:  Sie waren für ein Interview auch bei Bob Dylan zu Hause. Wie kam es dazu?

Stein: Ich war in der Tat bei ihm zu Hause in Malibu. Ich hatte vom ZDF-Kulturmagazin «aspekte» den Auftrag, mit Wolfgang Niedecken zusammen ein Dylan-Interview zu führen. Hierzu gab es jahrelang Vorabgespräche. Dadurch kannte ich die Ansprechpartner aus dem Management und auch aus seinem persönlichen Umfeld.

 Im Jahr 1988 war ich dann in den USA, es sollte einen Termin mit Dylan in seinem Haus in Malibu geben. Ich wurde am Eingang dieses riesigen Anwesens in Empfang genommen. Da hatte aber Dylan, wie es hieß, am Morgen das Haus verlassen. Obwohl es fest vereinbart gewesen war, ist es zu diesem Interview letztlich nie gekommen.

 

 epd: Sie haben Dylan aber trotzdem persönlich getroffen

Stein: Ich habe Dylan im Rahmen seiner Konzerttour 1987 ein paar Mal getroffen. Wir sind wochenlang dem Tourbus hinterhergefahren, weil wir wussten, dass es da vielleicht einmal eine Möglichkeit geben würde, Dylan spontan zu treffen. Nach einem Konzert in München sind wir uns nachts gegen zwei Uhr an einer Raststätte auf der
Brenner-Autobahn begegnet. Wir gingen zusammen in den Raststätten-Kiosk, wo sich Dylan einen Tiroler-Hut kaufte und danach auf dem Parkplatz vor der Raststätte rumtanzte.

 

epd: Haben Sie sich unterhalten?

Stein: Wir haben wenig kommuniziert. Ich fragte mich: Wie spreche ich einen Bob Dylan an? Mir war klar, dass Fragen, wie es ihm geht oder wie das letzte Konzert war, Dylan wohl besonders nerven würden. Wir wechselten dann auch nur wenige Sätze. Dylan sagte, dass sie auf dem Weg nach Verona waren, um am nächsten Tag die Tournee in Italien fortzusetzen.

 

epd: Gab es weitere Interview-Erlebnisse?

Stein: Das Skurrilste war eine Begegnung in München. Auch dort hatten wir für den späten Abend nach einem Konzert ein Kurzinterview in Aussicht gestellt bekommen. Dylan übernachtete im Hotel «Bayerischer Hof». Morgens um halb drei kamen dann drei Bodyguards mit Dylan ins Foyer. Dylan hatte eine Kapuze auf, so dass man ihn kaum erkennen konnte. Sein Manager Jeff Kramer sagte dann, dass es jetzt wohl mit
dem Interview klappen würde.

Dann ging Dylan mit den Bodyguards nachts um halb drei zum Hofbräuhaus, und wir hinterher. Am Hofbräuhaus, wo das das kurze Interview stattfinden sollte, warteten aber bereits einige Fans.

 

epd: Was geschah dann?

Stein: Dylan hat eine halbe Stunde lang Bücher und Platten signiert. Als das vorbei war, sagte der Manager, dass die Begegnungen mit den Fans länger als geplant gedauert hätten. Das Interview sollte dann am nächsten Tag stattfinden – aber auch daraus wurde nichts.

 

epd: Sind solche Erlebnisse typisch für Dylans Umgang mit Medien?

Stein: In gewisser Weise schon. Es gab aber auch solche Situationen, wie 1986 auf der «True Confessions»- Tour in Australien: Da war die Presse von halb Australien am Flughafen versammelt. Dylan gab dann aber einzig einer kleinen unbekannten australischen Schülerzeitung ein Interview.

 

epd: Was schätzen Sie an Dylan besonders?

Stein: Dylan ist sowohl in musikalischer als auch in inhaltlicher Hinsicht einmalig. Für mich waren über die politische Protestphase hinaus auch die religiösen Aspekte in seiner Musik wichtig. Die Songs seiner umstrittenen Gospel-Phase zeigen, dass der Mensch Dylan – genauso wie jeder von uns – auf der Suche ist: nach Wahrheit, nach Erkenntnis, nach Glauben.

 

epd: Ist Dylan auch heute noch relevant?

Stein: Relevanz wird Dylan immer haben. So haben inzwischen auch junge Bands wie AnnenMayKantereit Dylan für sich entdeckt. Nicht zuletzt durch den Literaturnobelpreis hat Dylan eine Stufe erreicht, die sowieso kaum ein zweiter Rockmusiker je wird erreichen können.