Dunkle Jahreszeit: Zeit der Flammen

Das Bändigen des Feuers war der vielleicht gewaltigste Fortschritt, den die Menschheit je gemacht hat. Und das hat seine Spuren hinterlassen – von den Anfängen der Menschheit bis heute.

Feuer ist wie das Tor zu einer anderen Welt – auch in der Bibel
Feuer ist wie das Tor zu einer anderen Welt – auch in der BibelUnsplash / laurent-jolle

Jetzt ist wieder die Zeit, in der die Menschen sich ans Feuer setzen. Wenn die Tage kurz und kalt werden, erscheint der flackernde Schein der Flammen umso attraktiver. Der Kaminofen im Wohnzimmer. Die Feuerschale im Garten. Die Kerze auf der Fensterbank. Beim Blick in die Flammen fangen die Menschen an zu träumen. Die Neurologie spricht davon, dass das menschliche Hirn dann in einen Leerlauf gerät, die Fantasie befreit sich von ihren Fesseln. Der Feuerschein ist dann wie das Tor in eine andere Welt. Tagträume tauchen vor dem inneren Auge auf, Erinnerungen. Die Gedanken schweifen weit umher.

Faszination des Feuers ist uralt

Dahinter steckt eine uralte Verbindung. Und auch die ist wie ein Tor in eine andere Welt. Eine Welt, in der die Menschheit gerade gelernt hatte, das Chaos der Flammen zu bändigen. Plötzlich konnten die Menschen die Flammen selbst entfachen, bändigen, kontrollieren, sich dienstbar machen. Die Erinnerung daran, was diese Errungenschaft für die Menschheit bedeutete, ist in der Sage von Prometheus festgehalten: der tragische Held, der das Feuer unter größten Opfern aus dem Himmel stiehlt und den Menschen übergibt.

Das Bändigen des Feuers war der vielleicht gewaltigste Fortschritt, den die Menschheit je machte. Fortan verfügte sie über Licht und Wärme, konnte sich gegen wilde Tiere behaupten, Essen haltbar machen. Die Menschen erlernten das Schmelzen von Metall, erfanden die Dampfmaschine.

Feuer ist beides: Zerstören und Erschaffen. Gefahr und Geborgenheit. Das Zusammenspiel dieser Widersprüche macht die Faszination des Feuers aus.

Blick in die Flammen schafft andere Wirklichkeit

Kein Wunder, dass das Feuer auch zu Sinnbild und Symbol wurde. Menschen sind vor Begeisterung „Feuer und Flamme“, lassen sich „anstecken“. Für die Religion spielt das Feuer eine große Rolle. Die Hölle lodert, es gibt die Vorstellung vom reinigenden „Fegefeuer“. Opfergaben werden verbrannt. In der Bibel fällt als Strafe Feuer vom Himmel auf Sodom und Gomorrha. Andererseits begegnet im Feuer aber auch Gott, so als brennender Dornbusch bei Mose und als Feuerzungen im Pfingstwunder. Noch heute zeigen Osterfeuer und Weihnachtskerzen, dass das Feuer seinen Platz im christlichen Glaubensleben hat.

Dunkle Zeit, Feuerzeit. Beim Blick in die Flammen spüren die Menschen die gleiche Faszination, wie sie die Vorfahren vor Jahrtausenden erfahren haben. Manchmal reicht es, eine Kerze anzuzünden. Um einen Augenblick innezuhalten. Um dieses Ahnen zu spüren: Es gibt da noch eine andere Wirklichkeit. Ein „mehr“. Ein „plus“. Etwas, das über die sichtbare Welt und das mit dem Verstand Erklärbare hinausgeht. Die Flamme ist ein wunderbares Bild. Ein Symbol. Das die Menschen daran erinnert: Kälte und Dunkelheit müssen nicht das letzte Wort haben.