Sie wuchs bei Indigenen in Indonesien auf – und lernte als Erwachsene die westliche Kultur kennen. Aus ihren persönlichen Erfahrungen zieht Sabine Kuegler auch eine Lehre für die Integrationspolitik.
Die Menschen in der westlichen Welt könnten aus Sicht von “Dschungelkind” Sabine Kuegler “absolut fantastisch leben”. Es heiße mitunter, dass indigene Völker glücklicher seien, sagte Kuegler in einem am Mittwoch veröffentlichten im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Das sind sie aber nicht deshalb, weil sie ohne moderne Annehmlichkeiten leben, sondern weil für sie Freundschaft und Familie wichtiger ist als alles andere im Leben.”
Davon lasse sich lernen, betonte die Autorin. Sie glaube nicht, dass hierzulande die Zeit für Beziehungspflege fehle. “Würde man den Fernseher oder das Handy weglassen, dann hätten wir plötzlich Zeit. Die Menschen haben viel Freizeit, es ist die Frage, wie wir sie nutzen.”
Sabine Kuegler wurde mit einem Millionen-Bestseller als “Dschungelkind” bekannt; mit ihren Eltern und Geschwistern ist sie beim Stamm der Fayu im Regenwald von Westneuguinea aufgewachsen. Mit 17 Jahren ging sie in die Schweiz, heute lebt sie in Hamburg. In ihrem zweiten Buch “Ich schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind”, verarbeitet Kuegler (52) ihre Zerrissenheit zwischen den Kulturen. Die erweiterte Sonderausgabe erschien Ende 2024.
Die westliche Kultur sei viel freier, erklärte Kuegler. “Das geht einher damit, dass wir für uns selbst verantwortlich sind. Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der der Einzelne keine Verantwortung trägt, alles wird in der Gemeinschaft entschieden.” So habe sie erst als Erwachsene gelernt, sich einen “eigenen Mini-Stamm” aufzubauen, einen Kreis von wohlwollenden und schützenden Menschen.
Als sie in den Westen gekommen sei, sei der Satz “Das weiß doch jeder” für sie eine Qual gewesen, so Kuegler. “Ich kam ständig in schwierige Situationen, weil mich keiner gewarnt hatte.” Ihrer Einschätzung nach hätten auch Migranten damit zu kämpfen, “dass wir automatisch davon ausgehen, dass sie wissen, wie man sich zu verhalten hat.” Sinnvoller fände sie kulturelle Bildung: “Wie denken Deutsche, was sind ihre Werte, was darf man hier und was nicht?”