Wenn es sehr eilt, dann setz dich hin und tue einen Augenblick gar nichts.“ So steht das Zitat von Ludwig Köhler – sinnigerweise – auf der Bank an meiner Straßenbahnhaltestelle. Und jedesmal, wenn ich es lese, denke ich „Ja, stimmt, gar nicht so dumm. Aber …“
Wer kennt das nicht, diese Momente, in denen einen das Leben zu überholen scheint. Trotz aller Bemühungen ist kein Ziel in Sicht. Immer mehr Aufgaben zwängen sich in immer weniger Zeit.
Da kommt dieser Ratschlag fast paradox daher: gar nichts tun. Wie soll das denn gehen? Da wird die Zeit ja noch weniger. So ein Unfug!
Wirklich? Ich habe die Stimmen meiner Eltern im Ohr. Wenn wir Kinder völlig aufgedreht waren, hieß es in unserer Familie immer: „Jetzt sag dreimal hintereinander ganz langsam ,Heu-wä-gel-chen‘.“
Was soll ich sagen, es funktionierte. Im Grunde genommen ähnelt es dem Ratschlag von Ludwig Köhler. Runterkommen. Gar nichts tun. Den Kopf frei bekommen. Und dann mit frischer Kraft weitermachen.
Noch heute ertappe ich mich beim „Heuwägelchen“. Wenn der Redaktionsschluss nicht mehr nur vor, sondern bereits in der Tür steht, das Telefon klingelt, die Kollegin meine Hilfe braucht. Dann flüstere ich in meinem Kopf das Zauberwort meiner Kindheit. Und siehe da, ich bin wieder fokussiert.
Dabei bin ich nicht in schlechter Gesellschaft. Jesus nahm sich nach der Speisung der Fünftausend eine Auszeit und stieg ganz allein auf einen Berg, weiß der Evangelist Matthäus zu berichten.
So hat vielleicht jeder sein ganz persönliches Heuwägelchen: Ludwig Köhler, Jesus, ich. Und Sie?