Drei-Königs-Darstellungen in Soest unter die Lupe genommen

Anhand von Gemälden greift Pfarrer Ralf-Günther Schein die Themen der Sonntage der Weihnachtszeit auf. Diesmal ist es der Außenflügel des Hauptaltars der evangelischen Wiesenkirche in Soest.

Mittelalterliches Bildnis der Geburt Jesu Jacobi-Altar in Kirche in Soest
Mittelalterliches Bildnis der Geburt Jesu Jacobi-Altar in Kirche in SoestRalf-Günther Schein

Auf unserer Sommerreise an die Mosel machten meine Frau und ich Station im westfälischen Soest. Bei der Besichtigung der schönen Altstadt war es vor allem die Kirche St. Maria zur Wiese, die uns faszinierte. In ihrer Gestaltung und Ausstattung wird sie oft als ein „Juwel der Gotik“ bezeichnet. So befinden sich zum Beispiel zwölf verschiedene Darstellungen der Heiligen Drei Könige in dieser Kirche. Diese Vielfalt ist darin begründet, dass Soest lange zum Erzbistum Köln als Zentrum der Drei-Königs-Verehrung gehörte.

Drei-Königs-Darstellung mit Besonderheiten

Eine der Drei-Königs-Darstellungen, die mir durch ein paar Besonderheiten auffiel, soll nun im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, selbst wenn sie künstlerisch einige Ungenauigkeiten zeigt: Auf dem Jacobi-Altar, dem Hauptaltar, ist auf einem der Außenflügel die Anbetungsszene festgehalten. Künstlerisch steht dieser Altar, dessen Mitte die Kreuzigung zeigt, in der Nachfolge des Malers Conrad von Soest (um 1370 bis nach 1422).

Um 1400 wirkte er in seiner Heimatstadt und auch lange in Dortmund. Sein sogenannter weicher Stil, seine Farbpalette und seine Formensprache wurden prägend für viele Künstler der Gotik. Auf diesem Anbetungsbild thront Maria mit dem Jesuskind in der Mitte. Joseph, auf der linken Seite, hält das Geschenk des ersten Königs in Form eines Kirchenmodells in seiner rechten Hand und weist dabei auf Maria, die ein Sinnbild für die Kirche darstellt.

Luftbildaufnahme von der Wiesenkirche in Soest
Luftbildaufnahme von der Wiesenkirche in SoestImago / Hans Blossey

In seiner Anbetung hat der als alter Mann gekennzeichnete König sich niedergekniet, um die Füße Jesu zu küssen. Dabei legt er die Krone, das Zeichen seiner Macht, ab. Der zweite kniende König hat sein Machtsymbol beireits zu Boden gelegt und ergreift die Hand Jseu. Er gibt – so scheint es – seine goldene Krone und sich selbst als Geschenk., denn ein drittes „Geschenk-Behältnis“ fehlt auf diesem Bild.

Die beiden knienden Männer machen deutlich, dass all das, was man ihnen sonst als Herrscher an Ehrerbietung zukommen lässt, sie hier voller Ehrfurcht dem Gottessohn als ihrem wahren König gewähren. Ihre demütige Haltung könnte vorausweisen auf ihr künftiges Handeln. Nicht als Despoten, sondern voller Ehrfurcht wollen sie mit ihrem Amt Christus dienen.

Schwarze Königin erinnert an die Königin von Saba

Traditionell hat die Werkstatt des Conrad von Soest diese Könige als Vertreter der drei Lebensalter – Jugend, Erwachsensein und Alter – dargestellt. Zugleich auch als Vertreter der im Mittelalter bekannten Kontinente: Europa, Afrika und Asien. So symbolisieren die königlichen Magier die Ganzheit des Lebens und auch der Völker, die zur Zeit der Geburt Jesu als Heiden gelten und ihm Ehre erweisen. Besonders interessant erscheint mir allerdings auf diesem Bild die Darstellung des jüngsten, des afrikanischen Königs. Bei genauer Betrachtung weist diese Figur weibliche Züge auf. Hier hat der Künstler vermutlich eine Schwarze Königin gemalt. Sie trägt wie Maria einen Schleier, auf dem die Krone sitzt. Im Mittelalter gehörte ein Schleier oder eine Haube oft zu verheirateten Frauen. Sie sind „unter der Haube“, sagt man bis heute.

Das Geschenk in ihren Händen zeigt ein Kirchenmodell. Ist hier also – auf Augenhöhe mit Maria – die personifizierte „Ecclesia“, die Kirche in der Welt der Heiden dargestellt? Vielleicht! Vielleicht erinnert diese Schwarze Königin aber auch an die Königin von Saba. Im Spätmittelalter war es zum Teil beliebt, jene Königin, die einst zu König Salomo nach Jerusalem aufbrach (1. Könige 10), in Weihnachtsspielen darzustellen. Dort wurde sie als Vertreterin der Heiden zum Prototyp eines schönen exotischen Schwarzen Menschen. Viele Legenden ranken sich um diese Gestalt. Unter anderem wird erzählt, dass sie nicht nur auf der Suche nach der Weisheit Salomos war. Ihre Suche nach göttlicher Weisheit führte sie auch zum Kind in der Krippe, in dem die Weisheit Gottes Menschengestalt angenommen hatte.

Gott macht sich klein

Jesus erinnert seine Zuhörer später sogar an jene suchende, vorbildhafte Frau, wenn er im Matthäusevangelium, Kapitel 12,42, davon spricht: „dass die Königin vom Süden beim Jüngsten Gericht auftreten wird, denn sie kam einst um Salomos Weisheit zu hören, doch siehe, hier ist mehr als Salomo“. Mit ihrer Ankunft an der Krippe nimmt sie also die Verkündigung des göttlichen Retters unter den heidnischen Völkern vorweg.

Dass es sich auf den Weihnachtsbildern und bei Krippendarstellungen immer um drei männliche Könige handeln muss, ist also nicht immer so eindeutig, wie es scheint Die Schwarze Königsfigur auf dem Jacobi-Altar in Soest könnte ein Beleg dafür sein.

Manchmal verbirgt sich hinter der Darstellung der Könige als Sinnbild für die Ganzheit der Völker und der Lebensalter mehr, als wir beim ersten Hinschauen entdecken. Unabhängig von Alter, Volkszugehörigkeit und Geschlecht laden uns die Darstellungen der drei Weisen oder Könige dazu ein, sich der Weisheit Gottes an der Krippe zu öffnen. Vor dem Christuskind gilt es, all das, was uns machtvoll erscheint und mächtig macht, abzulegen. Denn Gott macht sich klein, um den kleinen Leuten und den Kleingemachten eine königliche Würde zu geben. Dem dürfen wir in unserem Alltag immer wieder nachspüren.