Doku über DDR-Kultbarden – „Wenzel – Glaubt nie, was ich singe“

Dokumentarfilm über den Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel, der in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland mit seinen Protestsongs im clownesken Gewand zur Kultfigur wurde.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Der 1955 geborene Künstler Hans-Eckardt Wenzel avancierte in der DDR zur Kultfigur. Mit seinen clownesken bis dadaistischen Konzerten begeisterte der Poet und Liedermacher seine Fans und entging durch die besondere Art seiner Texte weitgehend der Stasi. Auch nach der Wende arbeitete Wenzel unverdrossen weiter und produzierte rund fünfzig Alben.

Der Dokumentarfilm von Lew Hohmann begleitet den Künstler über einen längeren Zeitraum während der Corona-Pandemie, lässt ihn selbst aus seinem bewegten Leben erzählen, aber auch zahlreiche prominente Fans zu Wort kommen. Vor allem die Archiv-Sequenzen warten durchaus mit echten Überraschungen auf.

Mit vollem Namen heißt er Hans-Eckardt Wenzel, doch für seine Fans ist er nur „der Wenzel“, und auch der Künstler selbst verzichtet bei seinen Publikationen auf seinen Vornamen. 1955 in der Nähe von Wittenberg geboren, entdeckte er schon als Jugendlicher seine Neigung zu Musik, Theater und Literatur. Später avancierte er in der DDR in verschiedenen Formationen zur Kultfigur und nahm 1986 seine erste Platte als Liedermacher auf, der er bis heute rund fünfzig weitere folgen ließ. Wenzel ist produktiv wie eh und je, auch wenn sein Bekanntheitsgrad im Westen der Republik nach wie vor überschaubar ist.

Der Dokumentarfilm „Wenzel – Glaubt nie, was ich singe“ porträtiert den Barden in aktuellen Konzertmitschnitten und Gesprächen, wartet aber auch mit einer Vielzahl an Archivbildern auf. Gleich zu Beginn tritt eine Riege von Prominenten an, die sich durchweg wohlwollend über den Porträtierten äußeren. Das reicht von dessen Schwester, Schauspielerin Claudia Wenzel, über Konstantin Wecker („grundanarchische Einstellung“), Filmemacher Andreas Dresen („Typ mit Eiern“), Schriftsteller Christoph Hein („mein bester Freund“) bis zur kürzlich gestorbenen Politikerin Antje Vollmer („im Grunde seines Herzens ein tiefmelancholischer Mensch“). Einigermaßen überraschend taucht in dieser Reihe auch Nora Guthrie auf, die Wenzel „just cool“ findet.

Wie und warum die Tochter der US-Folk-Legende Woody Guthrie zum Wenzel-Fan wurde, verrät der Film erst geraume Zeit später. Zunächst zu sehen ist ein Künstler, der sichtlich unter der Corona-Pandemie leidet. Zwar ist er auch während der Zwangspause in seinem Heim in der Nähe der Ostsee nicht untätig, aber ihm fehlt sein Publikum. Songs aufzunehmen, um sie dann im Internet zu verbreiten, ist für Wenzel nicht wirklich eine Alternative. Und wenn er später dann doch wieder in bescheidenem Rahmen auf irgendwelchen Bühnen stehen darf, glaubt man ihm sofort, dass Corona ihm eine harte Zeit beschert hat. Der Mann ist eine Rampensau im besten Sinne, kommuniziert in Worten und Gesten mit seinem Publikum und sorgt mit seinen zumeist launigen Zwischenmoderationen für gute Stimmung.

Daheim erzählt der Sänger und Multiinstrumentalist aus seinem bewegten Leben. Was zwischendurch den Charakter einer Homestory annimmt, wenn seine schwangere Lebensgefährtin und sein jüngster Sohn mit am Gartentisch sitzen. Im Laufe des Films wird Wenzel, längst mehrfacher Opa, dann noch einmal Vater. Dann werde er vermutlich mit dem Rollator zum Abiball gehen müssen, witzelt er.

Für alle, die sich mit seiner Vita kaum auskennen, dürften die Erzählungen spannend sein, wie der gewiss nicht linientreue Mann in der DDR künstlerisch überleben konnte. Wenzel hielt mit Kritik am System nie hinterm Berg, verpackte sie jedoch stets in clowneske Darbietungen, die mehr vom Dadaismus als vom klassischen Protestsong hatten und somit für die Kontrolleure der Stasi kaum zu fassen waren. In Archiv-Sequenzen kann man seine Auftritte mit der Musik-Theatergruppe „Karls Enkel“ oder gemeinsam mit Steffen Mensching im Duo „Weh & Meh“ sehen.

Und dann kommt irgendwann auch Nora Guthrie ins Spiel, die Wenzel nach einem seiner Konzerte in Berlin kennengelernt hatte und so von ihm angetan war, dass sie ihn in die USA einlud. Dort durfte er nicht nur das umfangreiche Archiv ihres Vaters sichten, sondern 2003 auch mit ihrem berühmten Bruder Arlo Guthrie („Alice“s Restaurant“) auf Tour gehen. Auch davon gibt es hier Konzertmitschnitte zu sehen.

Der filmisch unspektakuläre, unkommentierte Dokumentarfilm überzeugt in seiner gut ausgewogenen Mischung aus Musik und Gesprächen und hält auch den ein oder anderen Überraschungsgast bereit. So etwa Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der mit Wenzel einst die Schulbank drückte und sich hier als glühender „Stones“-Fan outet. Gegen Ende des Films steht Wenzel glücklich auf der Bühne seines alljährlich veranstalteten Festivals auf einer Wiese am Stettiner Haff, das zwischenzeitlich wegen der Pandemie nicht stattfinden konnte und überdies durch einen möglichen Verkauf des Geländes bedroht war.