Diskussionen um Rückkehr von Paramentenschätzen nach Danzig

Die Union Evangelischer Kirchen plant die Rückkehr des Paramentenschatzes nach Danzig. In einem Gastbeitrag erklärt Tilman Asmus Fischer die Kritik an der Rückgabe.

St.-Anna-Museum Lübeck
St.-Anna-Museum LübeckTilman A. Fischer

Bereits seit Jahrzehnten zeigt das Lübecker St. Annen-Museum wechselnde Einzelstücke aus dem Danziger Paramentenschatz – kunsthistorisch bedeutende liturgische Gewänder aus vor­reformatorischer Zeit, die sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Besitz der evangelischen Marienkirchengemeinde in Danzig befanden.

Deren letzter Pfarrer, Gerhard Gülzow, rettete die kostbaren Textilien vor der Kriegszerstörung. Ein Teil davon landete in Thüringen. Von dort wurde er bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Danzig verbracht – freilich nicht in die Marienkirche, sondern rechtswidrig in den staatlichen Besitz des Nationalmuseums Danzig. Der andere Teil gelangte wie viele vertriebene Danziger nach Lübeck. Hier wird er im St. Annen-Museum als Leihgabe der Union Evangelischer Kirchen (UEK), der Rechtsnachfolgerin der Danziger Gemeinde, öffentlich präsentiert – ebenso wie Einzelstücke im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

Rückkehr an den Herkunftsort in Danzig

Am 8. Dezember 2022 teilte die UEK mit, sich mit der heute katholischen Marienkirchengemeinde in Danzig in einem „Letter of Intent“ (Absichtserklärung) auf eine Rückkehr der Paramente an ihren Herkunftsort und in das Eigentum der katholischen Gemeinde verständigt zu haben. Das werde laut der UEK unter der Auflage einer adäquaten Präsentation sowie konservatorischer Betreuung geschehen und bei fortgesetzter Präsenz von Einzelstücken als Leihgaben in Lübeck und Nürnberg. Diese Entscheidung bietet eine große Bildungschance: Am histo­rischen Ort kann ausgehend von dem Paramentenschatz die Bedeutung des gemeinsamen deutsch-pol­nischen Kulturerbes sowie die gemeinsame beziehungsweise geteilte Geschichte beider Nationen der Öffentlichkeit sichtbar gemacht und erschlossen werden.  Überrascht von der Entscheidung wurden die noch lebenden Vertriebenen aus Danzig und dessen Umland – dem früheren Westpreußen – sowie ihre historisch interessierten Nachfahren, die von dieser Vereinbarung erst durch die Presse erfuhren.

Umfassende Informationen zur Rückgabe ein Jahr später

Umso erfreulicher war es, dass die UEK ein Jahr später, am 8. Dezember 2023, die Öffentlichkeit zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Haus Hansestadt Danzig in Lübeck einlud. Hier kamen neben Mitgliedern des deutsch-polnischen Beirats, der die Rückkehr der Paramente begleitet, auch Vertreter der Vertriebenen und ihrer Nachfahren zu Wort. Aus deren Reihen wurden kritische Anfragen teils auch eine klare Ablehnung des Vorhabens, jedoch auch weiterführende Vorschläge formuliert wie die Schaffung einer europäischen Institution, die für die ­Bewahrung und Präsentation der Paramente in Danzig verantwortlich sein solle.

Sowohl der Prälat der Marien­kirche, Ireneusz Bradtke, als auch der Danziger Kunsthistoriker Tomasz Torbus bekannten sich klar zur gemeinsamen deutsch-polnischen – mithin europäischen – Prägung der kulturellen Identität Danzigs. Oberkirchenrat Martin Evang koordiniert den Beirat von deutscher Seite. In einem Statement betonte er, dass die UEK seit jeher wiederholt erhobene Eigentums­ansprüche des polnischen Staates auf Sakralkunst evangelischer Gemeinden aus den früheren, heute zu Polen gehörenden Kirchen­provinzen stets abgelehnt habe. Die anvisierte Schenkung erfolge aus voller Freiheit – dies werde auch durch den zu unterzeichnenden Schenkungsvertrag nochmals festgeschrieben.

Beitrag zur Verständigung und Versöhnung

Die beabsichtigte Rückkehr der Paramente ist ein Beitrag sowohl der deutsch-polnischen Verständigung im obigen Sinne als auch einer der Ökumene. Der Gesichtspunkt, dass die UEK ihr rechtmäßiges Eigentum aus freiem Willen schenkt, ist dabei bedeutsam, weil diese Klarheit davor bewahrt, die Schenkung mit gegenwärtigen Diskursen um die Restitution von Raubkunst zu vermischen.

Zu hoffen ist, dass die Einbindung der Vertriebenen und ihrer Nachfahren auf dem weiteren Weg hin zur Rückkehr der Paramente fortgesetzt wird. Eine solche Einbindung ist theologisch gut begründet: zum einen als Ausdruck der seelsorger­lichen Verantwortung gegenüber den betroffenen Mitgliedern der UEK-Gliedkirchen, zum anderen vom Selbstverständnis einer Kirche her, die sich als zivilgesellschaft­licher Akteur im Austausch mit anderen Kräften der Zivilgesellschaft versteht. Sollte dem Rechnung getragen werden, besteht Aussicht, dass die Rückkehr der Paramente tatsächlich zu Verständigung und Versöhnung beiträgt.

Tilman Asmus Fischer ist Vorstandsbeauftragter der Westpreußischen Gesellschaft – Landsmannschaft Westpreußen. Der evangelische ­Theologe ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-­Universität Berlin tätig.