Die „Versuchskaninchen“ haben sich bewährt

Es war ein Novum: Das Ehepaar Jan und Stephanie von Lingen teilt sich seit einem Jahr eine Stelle als Superintendent. Jetzt ziehen sie Bilanz.

Jan und Stephanie von Lingen teilen sich die Stelle des Superintendenten im
Kirchenkreis Leine-Solling
Jan und Stephanie von Lingen teilen sich die Stelle des Superintendenten imKirchenkreis Leine-SollingHenrik Günther

Northeim. „Wir sind in der Region gut angekommen“, freut sich Stephanie von Lingen. Seit einem Jahr teilt sich die Theologin mit ihrem Mann Jan von Lingen das Amt des Superintendenten im Kirchenkreis Leine-Solling. Ein Novum in der hannoverschen Landeskirche, das jedoch gut funktioniert.
Um ihren Kirchenkreis kennenzulernen, hat das Superintendentenehepaar keine Kosten und Mühen gescheut: Noch keine Woche im Amt, da ging es im Juni vergangenen Jahres „in 100 Tagen durch den Kirchenkreis“. Auf der sogenannten „Sup-Tour“ nahmen Stephanie und Jan von Lingen zu Fuß, auf dem Fahrrad, im Auto, mit dem Flugzeug, auf dem Trecker und mit dem Hund den Kirchenkreis Leine-Solling unter die Lupe. „Das ehrenamtliche Engagement der Mitarbeitenden in den Kirchengemeinden hat uns dabei sehr beeindruckt“, sagt Jan von Lingen.

Ihre Thesen werden diskutiert

In den Folgemonaten sind aus den Eindrücken der Reise, die am ersten Advent im Kerzenschein auf dem Adventsmarkt in Gillersheim endete, zehn Thesen entstanden, die seither im Kirchenkreis Leine-Solling munter diskutiert werden.
Eine von ihnen lautet „Kirche bleibt im Dorf“. Als Kirche würde man sich in vielen Fällen mit denselben Fragen beschäftigen, die auch die Kommunalpolitik bewegen: „Im ländlichen Raum sind Dorfschule, Bäcker und Bank oftmals verschwunden, wie kann trotz des demografischen Wandels in die Zukunft der Dörfer investiert werden?“, fragt Stephanie von Lingen. Kirchengemeinde, Vereine, Gruppen und die Ortsräte seien hier gefragt.
Auch auf die Herausforderungen der Zeit wolle der Kirchenkreis reagieren, indem unter anderem ein Flüchtlingsfonds eingerichtet wird, um eine Sozialarbeiterstelle für Geflüchtete zu finanzieren. Eine weitere Herausforderung liegt in der Weitläufigkeit des Kirchenkreises, der 60 000 Gemeindeglieder in 35 Kirchengemeinden mit mehr als 100 Kirchen und Kapellen umfasst.

Ihre Arbeitsteilung steht

Drei Mittelzentren liegen in Einbeck, Northeim und Uslar. „Regionalisierung bedeutet oft Entfernung und die wird nicht selten als Entfremdung empfunden“, weiß Stephanie von Lingen. Um vor Ort zu sein, hat das Superintendentenehepaar sich vorgenommen, an mehreren Orten im Kirchenkreis zu predigen und auch Kasualien zu übernehmen.
„Wenn man ehrlich ist, dann sind wir Versuchskaninchen“, weiß Jan von Lingen. Das Theologen-Ehepaar, beide 53 Jahre alt, bewarb sich vor zwei Jahren gemeinsam auf das Amt des Superintendenten im Kirchenkreis Leine-Solling – ein Novum in der hannoverschen Landeskirche.
Inzwischen haben sie ihr eigenes Konzept ausgearbeitet, wie eine Stellenteilung sinnvoll aussehen kann: „Wir haben den Kirchenkreis nach Regionen aufgeteilt, zudem übernimmt jeder von uns bestimmte Aufgaben, der eine kümmert sich etwa um die Musik im Kirchenkreis, der andere um die Kinder- und Jugendarbeit“, erklärt Stephanie von Lingen. Die ursprüngliche Idee, eine Art „Ping-Pong der Ideen“ zu spielen, sei nicht ganz aufgegangen: „Wir haben anfangs unterschätzt, wie viel Kontinuität es im Leitungsamt braucht“, sagt Jan von Lingen.

Was der Job für die Ehe bedeutet

Dass der Kirchenkreis Leine-Solling nun zwei „Teilzeitsuperintendenten“ habe, will er nicht auf sich sitzen lassen: „Im Gegenteil, Arbeit ist genug da und wir müssen uns eher selbst verpflichten, auch mal Feierabend zu machen“.
Auch für die Partnerschaft sei eine Stellenteilung in kirchenleitender Position nicht ganz ohne: „Wir haben uns früher schon mal eine Pfarrstelle geteilt, doch jetzt merken wir schon: Die Verantwortung ist gewachsen und damit auch die potenziellen Konfliktfelder“. Bei aller Verschiedenheit müsse die Grundausrichtung stimmen, sagt Jan von Lingen. „Wir haben zum Glück das gleiche Bild von Kirche, deshalb haben wir die Herausforderung angenommen“, ergänzt Stephanie von Lingen. Ihre Bilanz nach einem Jahr: „Wir bereuen es nicht“, sagen beide und lachen.