Die Sprache des Abschlusstextes der Weltsynode

Nach fast vier Jahren Vorlauf waren die Erwartungen an den Abschlusstext der Weltsynode in Rom besonders hoch. Das schlägt sich auch in sprachlichen Feinheiten nieder.

Können Frauen Diakoninnen in der katholischen Kirche werden? Immer wieder tauchte diese Frage bei den mehrjährigen Beratungen der Weltsynode auf. Auch wenn der Papst zuletzt versuchte, das Thema von der Synodenordnung zu streichen, ließ sich die Diskussion nicht mehr einfangen und so landete die “Frauenfrage” am Samstag auch im Abschlussdokument der Synode.

Sprachlich vorsichtig ist unter Nummer 60 des Schreibens von einer “offenen Frage” zum Diakonat der Frau die Rede. Und trotz aller Vorsicht: Von den 155 Abschnitten des Dokuments erhielt diese Passage die meisten Gegenstimmen.

Ein genauerer Blick auf die Wortwahl des Dokuments lohnt auch bei Punkten, die eine Änderung des Kirchenrechts betreffen. So beispielsweise bei der Forderung, Kleriker zur Laienbeteiligung an bestimmten Beratungen auf Gemeinde- oder Bistumsebene zu verpflichten. Bisher gilt: Die Beteiligung von Nicht-Geweihten ist für Priester und Bischöfe eine Option, aber keine Pflicht.

Geht es nach der Weltsynode, soll sich das nun ändern. Pfarrer und Bischöfe sollen überall verpflichtet werden, Laien in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Bezeichnet wird diese beratende Form der Partizipation im Abschlussdokument als “Decision-Making”. Der Text macht in diesem Zusammenhang jedoch mehrmals klar, dass das anschließende Fällen von Entscheidungen (“Decision-Taking”) stets Priestern und Bischöfen vorbehalten ist.

Ein mögliches Instrument zur Laienbeteiligung sollen weltweit verpflichtende Pfarrei- und Diözesanräte sein. Was für deutsche Ohren selbstverständlich klingt, gibt es in vielen Ländern der Welt bisher nicht. Immer wieder erzählten Synodale im Laufe des Prozesses, wie unterschiedlich die Erfahrung von Beteiligung und Gehörtwerden in der Aula war. Während einige von Beginn an kraftvoll Forderungen und Ansprüche stellten, signalisierten Synodale aus anderen Kulturkreisen große Dankbarkeit, überhaupt vom Papst eingeladen worden zu sein und etwas sagen zu dürfen. Gerade für sie könnten solche Räte ein wichtiger Schritt zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins als mündige Bürger werden.

Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Forderungen der Synode auf eine Stärkung der Rolle des Bischofs abzielen – sowohl vor Ort als auch gegenüber Rom. Deutlich werden diese Bestrebungen beispielsweise im Anliegen, die Kurie möge künftig vor der Veröffentlichung von Dokumenten die Meinung der Bischöfe einholen. Die Verwerfungen auf dem afrikanischen Kontinent rund um die Erklärung “Fiducia supplicans” zur Segnung Homosexueller waren wohl mit ausschlaggebend für diese Forderung.

Aber auch für Bischöfe selbst könnten sich demnächst Dinge ändern: Beispielsweise fordert die Synode eine Art Arbeitszeugnis für sie, das in Zusammenarbeit mit Gremien und Gläubigen regelmäßig verfasst und nach Rom übermittelt werden soll. Dabei handle es sich um “eine kommunikative Anstrengung, die sich als mächtiges pädagogisches Instrument im Hinblick auf die Veränderung der Kultur” in der Kirche erweisen könne, so die Synode.

Mit Blick auf den Papst fordert die Synode eine Klärung seiner beinahe absolutistischen Rechtsstellung, wie sie das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) formuliert hatte. Folgerichtig macht die Synodensemantik auch vor dem Papst nicht halt: Er wird – bis auf eine Ausnahme – als Bischof von Rom betitelt, während der klassische, rechtlich stark aufgeladene Titel “Römischer Pontifex” nur ein einziges Mal in einem indirekten Zitat auftaucht. Diese Sprachkosmetik ändert jedoch wenig an seiner rechtlich hervorgehobenen und von der Synode bestätigten Rolle in der katholischen Kirche.

Gleiches lässt sich für das Fehlen des Begriffs “Teilkirche” sagen: Wann immer das Dokument von Diözesen spricht, wählen die Autoren den Begriff “Kirche”: Nur einmal wird der bisher geläufige Begriff “Teilkirche” verwendet. Zwar betont das Abschlussdokument immer wieder die Abhängigkeit der einzelnen Diözesen von Rom und doch formuliert es Ideen zur Dezentralisierung. So soll es in Zukunft größere Spielräume für lokale Entscheidungen geben. Die Synode fordert daher den Vatikan auf, Entscheidungen einzelner Länder und Kontinente zu respektieren. Als Begründung dafür führt sie den notwendigen Respekt vor der Vielfalt an. Deutsche Synodenteilnehmer sehen in dieser Synodenforderung die Möglichkeit, spezifische Reformen in Deutschland voranzutreiben.

Ebenfalls auf sprachlicher Ebene interessant, ist der Umgang mit nicht-heterosexuellen Gläubigen. Beobachter sahen in der wertfreien Nennung des Terminus “LGBT” im Synodenvorbereitungsdokument für die kontinentale Phase eine Öffnung der Kirche. Im Abschlussdokument findet sich dieser Terminus nicht mehr. Die einzige Stelle, an der Menschen, die durch das Raster der kirchenamtlichen Sexual-Normierung fallen, explizit thematisiert werden, formulierte die Synodenversammlung verklausuliert: “Einmal mehr bringt die Vollversammlung ihre Nähe und Unterstützung für diejenigen zum Ausdruck, die in einem Zustand der Einsamkeit leben, weil sie sich für die Treue zur Tradition und zum Lehramt der Kirche über die Ehe und die Sexualethik entschieden haben, in der sie eine Quelle des Lebens erkennen.”

All diese sprachlichen Feinheiten zeigen, dass das Abschlussdokument ein Kompromisstext ist, der für die gesamte Kirche Geltung haben soll. Während einige Reaktionen aus Europa Enttäuschung formulierten, eröffnet das Papier in anderen Teilen der Welt neue Möglichkeiten und Perspektiven. Genau das scheint eines der Anliegen von Papst Franziskus gewesen zu sein. Die Arbeitsmethode der “spirituellen Konversation” – also ein Wechsel von Redebeiträgen, Schweigen und Hören – hat es ermöglicht, weitestgehend ohne größere Konfrontationen drängende Themen auf die kirchliche Agenda zu setzen.

In diesem Sinne lässt sich auch die überraschende Entscheidung des Papstes interpretieren, den Abschlusstext der Synode lehramtlich nicht weiterzuverarbeiten. “Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Orientierungshilfe für die Mission der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten sein können”, sagte Franziskus am Samstagabend in Rom. Ob und welche Folgen diese Entscheidung haben wird, werden die nächsten Wochen und die zu erwartenden Diskussionen zeigen.