Die Schöpfungswiese von Schönwalde

Die Rote Liste an bedrohten Tier- und Pflanzenarten wird immer länger. Das will Pastor Arnd Heling aus Schönwalde in Schleswig-Holstein ändern. Er hat für seine Gemeinde ein Modell entwickelt, das er am liebsten in der gesamten Nordkirche umsetzen würde.

Pastor Arnd Heling auf der Schöpfungswiese
Pastor Arnd Heling auf der SchöpfungswieseNadine Heggen

Schönwalde. Wenn Pastor Arnd Heling die Rotbauchunken vor seinem Pastorat in Schönwalde (Ostholstein) rufen hört, weiß er, dass sich die Mühe gelohnt hat. Die kleinen Kröten stehen in Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Dass sie nun in Schönwalde in großer Anzahl unken, ist der Kirchengemeinde zu verdanken. Die wandelt brachliegendes Grünland rund ums Pfarrhaus nach und nach in naturnahe Lebensräume für Tiere und Pflanzen um. Damit will der Pastor ein Zeichen gegen das Artensterben setzen und andere Gemeinden zur Nachahmung ermuntern.
„Das Artensterben ist ein großes Problem, und die Kirche hat hier eine Verantwortung“, sagt Heling, der vor seiner Amtseinführung in Schönwalde vor sieben Jahren unter anderem Geschäftsführer der Ökumenischen Stiftung für Schöpfungsbewahrung und Nachhaltigkeit der damaligen Nordelbischen Kirche war. Neben einem kleinen Naturerlebnisraum mit Teich für die Rotbauchunken schuf die Kirchengemeinde bereits eine drei Hektar große Öko-Wiese. Auf der Fläche wurden Pflanzen aus der Region ausgesät, teilweise wurde sie zur Wiederansiedelung von Amphibien wieder vernässt.

Nachahmer erwünscht

60.000 Euro hat die Kirchengemeinde dafür ausgegeben. Im Gegenzug konnte sie sich für die Fläche 53.000 sogenannte Ökopunkte anrechnen lassen, die sie einmalig verkaufen kann. Momentan verhandelt die Gemeinde mit der Deutschen Bahn, die Ausgleichsflächen für den Ausbau der Schienenanbindung der festen Fehmarnbeltquerung sucht. In Ostholstein ist ein Ökopunkt zwischen drei und fünf Euro wert. Die Kirchengemeinde könnte im besten Fall also 265.000 Euro erzielen. Im Hamburger Umland wird ein Öko-Punkt sogar mit bis zu zehn Euro gehandelt.
„Die Fläche bleibt im Besitz der Kirchengemeinde. Aber wir sind verpflichtet, die renaturierte Fläche auf unbestimmte Zeit den Vorgaben entsprechend zu erhalten“, so Heling. Der Pastor hofft auf viele Nachahmer und wünscht sich, dass die Nordkirche eine Empfehlung für die Kirchengemeinden hinsichtlich der Bewirtschaftung ihrer Flächen ausspricht. Er schlägt vor, dass die Gemeinden 15 Prozent ihrer Flächen für den Insekten- und Gewässerschutz einsetzen. „Wir brauchen eine verbindliche Botschaft von der Kirchenleitung, mit der wir auf unsere Pächter, die Landwirte, zugehen können.“

Alarmierende Studie

Im vergangenen Herbst hatte eine Studie von Krefelder Insektenforschern ergeben, dass es heute 70 Prozent weniger Insekten gibt als noch vor 20 Jahren. Ingo Ludwichowski vom Naturschutzbund Schleswig-Holstein begrüßt daher die Initiative der Kirchengemeinde in Schönwalde. Durch Überdüngung und den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, aber auch durch den Autoverkehr, werde die Rote Liste an bedrohten Tier- und Pflanzenarten immer länger. „Pflanzen wie Hahnenfuß und Sumpfdotterblume ersaufen geradezu in der Jauche“, sagt er.
Die Renaturierung von brachliegenden Grünflächen sei daher ein guter Anfang, so der Naturschützer. Um aber substanziell einen Beitrag gegen das Artensterben zu leisten, müsste die Kirche Maisanbau und Düngemittel aus der Intensivtierhaltung auf allen Ländereien unterbinden. „Außerdem muss der Einsatz von Pestiziden heruntergefahren werden“, sagt Ludwichowski.

Nordkirche skeptisch

Ulrich Ketelhodt vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt steht solchen pauschalen Vorschlägen skeptisch gegenüber. Zum einen könne die Kirchenleitung nur Empfehlungen aussprechen, schließlich seien die Kirchengemeinden Eigentümer der Flächen. Zum anderen würde auf derartigen Empfehlungen „kein Segen liegen“, so der Landwirtschaftsexperte. „Die Bauern stehen durch die politischen Entwicklungen in der Landwirtschaft schon extrem unter Druck. Den würde die Kirche mit pauschalen Vorgaben nur erhöhen und eher Widerstand als Kooperation hervorrufen.“
In Schleswig-Holstein sind 13.000 Hektar Land in Kirchenhand, in Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar 45.000 Hektar. Die meisten Flächen haben die Kirchengemeinden an Bauern verpachtet. Ketelhodt empfiehlt den Kirchengemeinden, sich vor Ort mit den Landwirten zu besprechen, wenn sie Flächen ökologisch bewirtschaften wollen.
In Schönwalde ist die nächste Ausgleichsfläche jedenfalls schon in Planung. Denn ob nun mit Synodenbeschluss oder ohne: Die Bewahrung der Schöpfung ist für Pastor Arnd Heling eine Herzensangelegenheit. (epd)