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Die schönste Zeit im Jahr

Fast jeder Fünfte kann sich keinen Urlaub leisten. Das ist bitter. Denn eine Auszeit im Jahr sollte sein. Was man tun kann, um anderen trotzdem die Chance zu bieten, Kraft zu tanken

Urlaubszeit, Ferienzeit! Sofort hat man Bilder im Kopf von Bergen, Kreuzfahrtschiffen oder Sandburgen am Meer. Urlaub, das ist tief in uns verankert, ist die schönste Zeit im Jahr. Dafür wird gespart, darauf freut sich die ganze Familie monatelang.
Leicht vergessen wird dabei, dass längst nicht jeder oder jede in den Urlaub fahren kann. Beinahe jeder Fünfte in Deutschland kann sich Urlaub nicht leisten. So die Ergebnisse einer Erhebung des Europäischen Statistikamtes Eurostat.
Aber Urlaub ist wichtig. Der Mensch muss abschalten vom Alltagstrott. Sich erholen. Damit er nicht ausbrennt. Kraft tanken.
Das mag zwar auch zu Hause möglich sein. Urlaub muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass man verreist. Abschalten und sich erholen kann man auch im Garten. Oder auf dem Balkon – wenn man denn so etwas hat.
Aber, das ist ja der springende Punkt: Wer arm ist, muss auch dabei oft passen. Ein idyllischer Garten ist dann ebenso unerreichbar wie die Reise an die See.
Für Kinder kann die Ferienzeit dann besonders bitter werden. Und gerade Haushalte mit Kindern sind besonders betroffen. Bei Alleinerziehenden sind es fast 40 Prozent, die sich keinen Urlaub leisten können.
Ich weiß noch genau, wie sehnsüchtig mein Bruder und ich damals auf die Klassenkameraden blickten, wenn es in die Ferien ging. Die anderen fuhren nach Norderney, Südtirol oder an die Adria. Wir fuhren mit dem Rad nach Nordkirchen – und abends wieder zurück. Davon konnte man nicht so gut erzählen, wenn das neue Schuljahr wieder anfing. Die andern waren erfüllt von der Ferienzeit. Ich schämte mich.
Das änderte sich, als die Diakonie (damals noch „Innere Mission“) uns zu Kinderfreizeiten mitnahm. Plötzlich kamen auch wir raus. Wir lernten eine andere Welt kennen – auch wenn es erst mal „nur“ das Weserbergland war. Später war es die Kirchengemeinde mit ihren Jugendfreizeiten in Norwegen und Schweden. Horizonte öffneten sich. Das Sehen und Verstehen wurde weit.
Was kann man heute tun? Armut muss bekämpft werden, das ist klar. Aber daneben?
Die Augen offen halten für Mitmenschen. Mit Rat und Tat zur Seite stehen. Noch immer sind Kirche und Diakonie gute Adressen, auf die man hinweisen kann. Sie bieten Kinderferienspiele an. Freizeiten, nicht nur für Kinder und Jugendliche. Sondern zum Beispiel auch für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen.
Nicht immer geht es ums Geld. Blumen gießen, die Katze füttern, nach dem pflegebedürftigen Ehepartner schauen – auch das kann helfen, jemand eine kurze Auszeit zu verschaffen. Der Hinweis auf die Kurzzeitpflege der Diakonie. Der Tipp, Haustiere über die Tierschutzvereine betreuen zu lassen. Und warum nicht mal wieder einen Bekannten oder Verwandten über das Wochenende zu sich einladen, der sonst in den eigenen vier Wänden zu versauern droht?
Urlaub sollte sein. Für alle.

Zum Thema „Urlaub“ siehe auch Seiten 2 , 11 und 12.