Die Qual der Wahl

501 Gemeinden in Westfalen und 69 in Lippe bekommen demnächst neue Leitungsgremien. Eine richtige Wahl fand jedoch längst nicht überall statt

Benjamin von Legat

BIELEFELD/DETMOLD – Direkt nach dem Gottesdienst wird es voll im Gemeindehaus der Neudstädter Marienkirche in Bielefeld. Vor den beiden Wahlkabinen bildet sich eine richtige kleine Schlange. Geduldig warten Männer und Frauen mit Wahllisten in der Hand darauf, ihre Stimme abgeben zu können.
„Bei uns wird richtig gewählt“, erklärt Wahlvorstand Joachim Frohn mit gewissem Stolz in der Stimme. Immerhin 15 Kandidaten gibt es für die zehn Plätze im Presbyterium. Das Interesse an einem Sitz im Leitungsgremium der Gemeinde ist vielleicht auch deswegen so hoch, weil eine wichtige Entscheidung ansteht: Im Sommer wird in der Bielefelder Innenstadtgemeinde die Nachfolge des langjährigen Pfarrers Alfred Menzel bestimmt. Eine Pfarrwahl ist eine der Aufgaben des Presbyteriums, mit dem es die Weichen für die Ausrichtung der Gemeindearbeit stellen kann.
Eigentlich stehen alle vier Jahre in der Evangelischen Kirche von Westfalen die Presbyterien zur Wahl. Dasselbe gilt für die Lippische Landeskirche, wo die Gemeindeleitungen Kirchenvorstände heißen. Hier wie dort tragen die Mitglieder gleichberechtigt mit den Pfarrern Verantwortung für die Gestaltung des Gemeindelebens. Die Gemeindeglieder können die Richtung ihres Gemeindelebens also indirekt durch die Wahl mitgestalten.
Allerdings ist eine Wahl inzwischen nicht mehr überall möglich. In vielen westfälischen Gemeinden gibt es gerade mal so viele Kandidaten wie Plätze im Presbyterium. In diesem Fall entfällt die Abstimmung. In Lippe ist das sogar in 67 von 69 Gemeinden der Fall; nur in zwei Kirchengemeinden wurde am vergangenen Sonntag überhaupt noch gewählt: in der evangelisch-reformierten Gemeinde St. Pauli Lemgo sowie in der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Heiden im Wahlbezirk I. In der westfälischen Landeskirche gab es in jeder fünften der insgesamt 501 Gemeinden wirklich eine Wahl.
Die Wahlbeteiligung lag in Westfalen nach einer vorläufigen Erhebung bei 6,92 Prozent. Bei der letzten Wahl 2012 waren es 6,62 Prozent. Die höchste Wahlbeteiligung gab es in den Kirchengemeinden Löhne mit 32,4 Prozent und Frömern in Fröndenberg mit 32,3 Prozent. In Lotte im Tecklenburger Land machten 22 Prozent der Gemeindemitglieder von ihrem Wahlrecht Gebrauch, in der Gemeinde Bonneberg in Vlotho waren es 21,5 Prozent. In der lippischen Gemeinde Heiden gingen 22 Prozent der Gemeindeglieder zu Wahl, in Lemgo-St. Pauli zehn Prozent.
In der Evangelischen Kirche im Rheinland betrug die Wahlbeteiligung der Hochrechnung zufolge 9,3 Prozent gegenüber 10,5 Prozent bei der letzten Wahl vor vier Jahren. Abgestimmt wurde in rund 40 Prozent der 719 Gemeinden.