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Die Pfarrchronik schreibt Geschichte

Seit Fontanes Zeiten pflegten die Pfarrer der Kirchengemeinde Güterfelde ihre Pfarrchronik. Anlässlich des 750. Geburtstags des Dorfes wird sie nun auch als Buch erscheinen.

Von Andrea von Fournier

Das Dorf Güterfelde südöstlich von Potsdam feiert in diesem Jahr seine 750-jährige urkundliche Erwähnung. Klar, dass die Kirchengemeinde das Ereignis – ein ganzes Feierjahr – mit vorbereitet hat. Ein besonderes Geschenk macht sie sich, den Einwohnern und Gästen: Die Pfarrchronik wird in gedruckter Form präsentiert. Sie ist keine Abschrift des Kirchenbuches. Ein Pfarrer Brodersen hat im Winter 1868/69 begonnen, Zahlen und Ereignisse um das Rittergut und Dorf Gütergotz, wie es damals hieß, aus Archiven zu suchen und aufzuschreiben. Es war das Jahrhundert, in dem das allgemeine Interesse an der Geschichte erwachte. Brodersen ließ sich von Dorfbewohnern Begebenheiten erzählen und schrieb sie ebenfalls nieder. Seine säuberliche Handschrift in einem dicken, stark abgegriffenen ledergebundenen Buch weist ihn als überaus fleißigen Arbeiter aus. 1873 finanzierte der jüdische Gutsbesitzer Gerson von Bleichröder den Druck der Brodersen-Chronik: Da er als Jude kein Kirchenpatronat ausüben konnte, bewies er so seine Verbundenheit mit der Gemeinde. 1869 traf Fontane Brodersen im Pfarrhaus – nachzulesen in Fontanes berühmten „Wanderungen“.

Neue Chronik

Pfarrer Helmut Kulla lebt und arbeitet seit 1976 in diesem Pfarrhaus. Auch er ist ein großer Freund von Geschichten, egal ob er sie hört oder erzählt. Zurzeit ist er wie aus dem Häuschen, weil die Kartons mit den druckfrischen Chroniken geliefert wurden. „Bevor ich mich in mein Altenteil verabschiede, wollte ich das unbedingt noch fertigbekommen“, sagt er zufrieden. Die neue Chronik nennt die Gütersfelder Gemeindehirten seit 1553, gibt den Brodersenschen Text und die Eintragungen, die die folgenden Pfarrer in das dicke Lederbuch machten, wieder. Eine Seniorin aus der Gemeinde, Aloisia Lauber, hat mit Yvonne Wendtland die alte Schrift gelesen und abgeschrieben. Die feierliche Vorstellung der Chronik ist am 21. April geplant. Besucher können den ideellen Kirchenschatz dann auch erwerben und nach Haus tragen.Und während die Leute dann bereits alles über Gütergotz bis Güterfelde lesen können, hat Pfarrer Kulla noch eine wichtige Arbeit vor sich. Seinen Teil der Chronik von 1976 bis heute hat er zwar formuliert und in den Computer getippt, damit er Eingang in die neue Publikation finden konnte – doch in das dicke alte Lederbuch hat er sie noch nicht geschrieben. „Vielleicht klebe ich meine Druckzeilen lieber ein. Das hat schon mal ein Pfarrer vor mir getan“, meint er. Schade wär’s – denn die Handschrift verriet zu allen Zeiten auch etwas über den Schreiber.

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