Die ostfriesische Glocke mit Geheimnissen wird umgehängt

Die aus dem Mittelalter stammende Marienglocke der St.-Martins-Kirche im ostfriesischen Remels wird umgehängt, damit sie weicher klingt. Ihr Alter und ihre Größe machen sie in zu einer Seltenheit.

Die Marienglocke läutete wohl schon im Jahr 1300 zum Kirchgang. Hilde Meeuw macht sich für die Umhängung stark
Die Marienglocke läutete wohl schon im Jahr 1300 zum Kirchgang. Hilde Meeuw macht sich für die Umhängung starkWerner Jürgens

Eines der beeindruckendsten Geläute Ostfrieslands befindet sich im Turm der St.-Martins-Kirche in Remels. Die älteste der drei Glocken stammt noch aus dem Mittelalter. Sie hängt momentan an einem Stahlträger, was weder originalgetreu noch fachgerecht ist, vom Klangbild ganz zu schweigen.

„Wegen der geringeren Abnutzung ist ein Holzjoch besser, zumal dadurch auch das Klangbild schöner und weicher werden würde“, sagt Hilde Meeuw. Sie ist ehrenamtliche Mitarbeiterin im Bau­ausschuss der Kirchengemeinde Uplengen-Remels. Dort hat man bereits viele Spenden für eine Umhängung gesammelt. Dank einer Förderung durch die Klosterkammer Hannover könnten die Planungen nun bald realisiert werden.

Fachleute datieren Glocke auf das 13. Jahrhundert

Vor allem die älteste Glocke des Geläuts birgt einige Geheimnisse. Einzig ein Emblem mit den ineinander verschlungenen Buchstaben M und A, die von einem Kreuz gekrönt werden, weist darauf hin, dass sie einst Maria, der Mutter Gottes, gewidmet wurde. Ansonsten existieren keine Inschriften, aus denen sich Baujahr, Hersteller oder Herkunft ableiten ließen. Fachleute datierten die Glocke auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Damit wäre sie ähnlich alt wie das zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Wehrkirche gebaute Gotteshaus selbst. Nicht sicher ist, ob sie schon gleich von Beginn an zum Kirchgang geläutet hat, schließlich wurden bereits um das Jahr 1300 erste bauliche Veränderungen an der Kirche vorgenommen. Vom ursprünglichen Bau ist nur das aus Granitquadern bestehende Kirchenschiff erhalten geblieben. Das Geläut war zunächst in einem frei stehenden Glockenturm untergebracht. Rechnungen aus dem 18. Jahrhundert belegen, dass Remels damals lediglich zwei Glocken hatte, von denen die Marienglocke die kleinere war. Die zweite hing im Nordturm und hieß deswegen Norder­glocke. Sie musste mehrfach erneuert und 1891 wegen Einsturzgefahr des Glockenturms auf ein Holzgerüst umgehängt werden.

Glocken wurden dem Militär geopfert

Als 1898 der heutige Backsteinturm fertig gestellt war, fanden die Glocken darin eine neue Heimat. 1911 wurde die Norderglocke eingeschmolzen: für eine noch größere und eine dritte kleinere Glocke.

Lange hingen diese nicht, während des Ersten Weltkriegs mussten die beiden jüngeren Glocken zwangsweise abgegeben und dem Militär geopfert werden. Erst 1925 konnte die Gemeinde zwei neue Glocken installieren. Diese wurden 1942 abermals zu Kriegszwecken eingeschmolzen und schließlich 1953 durch zwei Nachfolgerinnen ersetzt. Seit dieser Zeit erklingen in der Remelser St.-Martins-Kirche wieder drei Glocken.

Die Marienglocke ist die einzige, die diverse historische Umbrüche unbeschadet überlebt hat. Ihr Durchmesser beträgt im unteren Bereich stattliche 1,40 Meter. Mittelalterliche Glocken von solchem Format haben in Ostfriesland und darüber hinaus absoluten Seltenheitswert.

7000 Euro Spenden gesammelt

Wann und warum man ausgerechnet diese Glocke an einem Stahlträger befestigt hat, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich haben die Verantwortlichen „es nur gut gemeint“, mutmaßt Hilde Meeuw. „Aber eigentlich gehört sie genau wie die anderen beiden Glocken auf ein Holzjoch.“

Eine fachgerechte Umhängung ist nicht gerade billig. Nach den Berechnungen des Bauausschusses dürften die Kosten bei rund 13.000 Euro liegen, was die Kirchengemeinde aber nicht abschreckt. Im Gegenteil: Die Remelser hängen offenbar sehr an ihrer Glocke, die über so viele Jahrhunderte für sie geläutet hat. Inzwischen sind in der Gemeinde weit mehr als 7000 Euro an Spenden zusammengekommen. Der Rest der Baukosten soll aus den Fördermitteln der Klosterkammer finanziert werden.