Blut, Schweiß und weibliche Power

Wenn Filme die 80er Jahre als Setting nutzen, zielen sie meist auf Retro-Charme und Nostalgie. In „Love Lies Bleeding“, dem zweiten Spielfilm von Rose Glass nach ihrem hierzulande eher untergegangenen Mystery-Horrorfilm „Saint Maud“ (2019), sind die 80er ein Ort, dem es zu entfliehen gilt. Das genaue Jahr ist 1989, irgendwo in New Mexico: Lou (Kristen Stewart) arbeitet hier in einem versifften Fitnessstudio. Die Szenerie ist das Stereotyp einer heruntergekommenen, männerdominierten amerikanischen Kleinstadt. Aus einem Radio ertönt zwischendurch ein Bericht vom Mauerfall, der wie ein Fremdkörper wirkt in dem Städtchen, das abgeschnitten vom Weltgeschehen scheint. Glass inszeniert das geradezu mit einer Fetischisierung des Ekels. Ausgiebig darf man Lou dabei zusehen, wie sie eine verstopfte Toilette reinigt; Mülleimer werden genauso detailliert gezeigt wie die verschwitzten Körper der Macho-Männer.

Das Fitnessstudio gehört Lous Vater (Ed Harris), eine lokale Verbrechergröße. Lou hat ein gestörtes Verhältnis zu ihm. Was genau vorgefallen und warum etwa Lous Mutter verschwunden ist, deutet der Film nur an. Aber es ist nicht die einzige problematische Familienkonstellation: Lous Tante Beth (Jena Malone) wird von ihrem untreuen Mann JJ (Dave Franco) regelmäßig misshandelt. Auch aus Sorge um Beth hat Lou ihren verhassten Heimatort nie verlassen. Ein Lichtblick in ihrem festgefahrenen Leben ist die Begegnung mit der Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian), die heimatlos durchs Land trampt und nach Las Vegas zu einem Wettbewerb will. Zwischen Lou und Jackie entsteht sofort eine magische Anziehung. Ihre leidenschaftliche Liebesbeziehung ist ein Kontrapunkt in dieser heruntergekommenen, patriarchalen Welt. Die sehr expliziten Sexszenen mit ihnen sind entsprechend erotisch inszeniert.

Doch es liegen Schatten auf dieser Liebe: Bevor Jackie mit Lou zusammengekommen ist, hatte sie einen One-Night-Stand mit JJ. Als Beth nach einem weiteren brutalen Übergriff von JJ im Krankenhaus liegt, brennen bei der von Schuldgefühlen geplagten und mit Steroiden vollgepumpten Jackie die Sicherungen durch: Sie schlägt JJ brutal zu Tode. Lou versucht daraufhin, die Leiche zu entsorgen und den Verdacht auf ihren Vater zu lenken.

Es beginnt ein wildes Katz-und-Maus-Spiel, dessen Motive teils altbekannt sind. Die stylische Inszenierung aber lässt einen rauschhaften Sog entstehen. Glass bleibt ihrem expliziten Stil treu und zeigt exzessiv Blut und Gewalt, kombiniert mit in Neonlicht getränkten Bildern und einem flirrenden Electro-Score. Ihr Film ist ein Mix aus Exploitation, Romanze, Neo-Noir, Thriller und vielem mehr. Stilistische Vergleiche lassen sich zu Cronenberg, Tarantino, Lynch oder Winding Refn ziehen. Wenn Jackies fast explodierende Muskeln und pulsierende Adern in stilisierten Nahaufnahmen zu sehen sind, gibt es zudem Anleihen beim Body-Horror-Genre, Szenen mit einer Blut aufleckenden Katze sorgen für makabren Humor, und gegen Ende driftet die Story gar ins Fantastische.

Diese starke Stilisierung verleiht dem Film etwas abstrakt Verspieltes. Das ermöglicht es, moralische Positionen der Figuren offenzulassen. Gleichwohl scheinen hinter der Fassade des Exploitation-Films ganz reale Tragödien durch. Besonders die Figur der Beth, die sich trotz Misshandlungen nicht von ihrem Mann abwenden will, wirkt bedrückend. Das Zentrum von „Love Lies Bleeding“ aber bilden Lou und Jackie. Zwei starke Frauen, die von Kristen Stewart und Katy O’Brian emotional facettenreich gespielt werden. Beeindruckend ist dabei auch die physische Ausdruckskraft der Bodybuilderin und Kampfsportlerin O’Brian, die im Kontrast steht zu klassischen weiblichen Körperbildern. Ihre Beziehung wird für Lou und Jackie, trotz einiger Brüche, zu einer wilden Befreiung aus toxischen Beziehungen und dem Mief der Kleinstadtszenerie.