Die Lupinen-Königin vom Bodensee
Vom Kaffee-Likör bis zum Porridge: Die Landwirtin Linda Kelly experimentiert am Bodensee mit der eher unbekannten Eiweißpflanze Lupine – und liegt damit im Trend.
Mit einem glücklichen Zufall begann vor zehn Jahren alles: Da auf einem Feld der Familien Kelly und Warnke im baden-württembergischen Herdwangen (Landkreis Sigmaringen) in der Nähe des Bodensees der Weizen über Winter erfroren war, entschloss sich Linda Kelly, ein Experiment zu wagen und dort Süßlupinen anzubauen, die sie dann zum Selberpflücken anbot. Doch die eher schlichten Pflanzen mit der weißen Blüte wollte kaum jemand für einen Strauß haben.
So erntete die Familie die Lupinenbohnen. „Ich habe mich sofort in die weißen Kügelchen verliebt“, erinnert sich die Landwirtin und recherchierte, was man mit den 300 Kilo geernteten Bohnen machen konnte. Sie entschied sich, es mit Kaffee zu versuchen, röstete einige Bohnen und brühte sie anschließend auf. Der Lupinenkaffee schmeckte und sie entschied sich, ihn zu verkaufen.
„Die Lupine hat so viel Potenzial“
Doch es war nicht einfach, den Läden in der Umgebung zu erklären, warum sie einen „Blümchenkaffee“ ohne Koffein anbieten sollten. Sie stieß auf viel Skepsis. „Jetzt erst recht“, sagte sich Kelly, die auch Industriekauffrau ist und vermarktete ihren „Lupinello-Kaffee“ professionell. Als sie damit Erfolg hatte, war ihr klar: Da geht noch mehr. „Die Lupine hat so viel Potenzial und ist eine Delikatesse für die Küche“. Es folgten Produkte wie Lupinenmehl, Lupinennudeln, Lupinenwürze und auch gekochte Lupinenkerne in der Dose mit Soße sowie Lupinen-Porridge mit Bodenseeäpfeln und Zimt.
Tatsächlich sind die Hülsenfrüchte nicht nur lecker, sondern auch sehr gesund: Der hohe Eiweißgehalt von etwa 35-40 Prozent kommt an den der Sojabohne heran. Neben anderen wertvollen Stoffen finden sich in den Samen die Vitamine A und B1 sowie Mineralstoffe wie Calcium, Kalium, Eisen und Magnesium. Außerdem sind Lupinensamen reich an Ballaststoffen, die weniger blähend wirken als andere Hülsenfrüchte. Menschen, die eine Erdnussallergie haben, sollten allerdings ihre Finger von Lupinen lassen, da kreuzallergische Reaktionen auftreten können.
Immer, wenn Kelly eine Idee für ein neues Produkt hatte, erfindet ihr Mann, ein gelernter Maschinenbauingenieur, die passende Maschine dafür, wie zum Beispiel eine Sortiermaschine, die die Schale der Lupine nach dem Schälen absaugt und die schwereren Kerne nach unten fallen lässt. Derzeit wird der ehemalige Kuhstall auf dem Hof zu einer Produktionshalle umgebaut, um alle Geräte an einem Ort zu bündeln. Denn die Nachfrage nach dem „heimischen Superfood“ ist da: „Viele Menschen essen weniger, aber dafür Fleisch in guter Qualität und greifen dafür mehr auf hochwertige pflanzliche Eiweiße zurück“.
Pflanzliche, eiweißreiche Lebensmitteln sind gefragt
Herwart Böhm, Erster Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der Lupinen, beobachtet ebenfalls, dass die Nachfrage nach eiweißreichen Lebensmitteln auf pflanzlicher Basis weiter zunimmt. „Und davon profitieren auch die Lupinen!“ Inzwischen gebe es viele kleine Hersteller und Manufakturen wie den Betrieb der Kellys, die ihre angebauten Lupinen direkt verarbeiten und oft auch verkaufen. „Dies bietet den Vorteil, dass die zusätzliche Wertschöpfung auf den landwirtschaftlichen Betrieben bleibt!“, so der Vorsitzende der Gesellschaft, die ihren Sitz im mecklenburg-vorpommerischen Ankershagen hat.
Laut der Bundessortenliste wurden auf rund 31.700 Hektar Fläche in Deutschland im Jahr 2022 Lupinen angebaut. Die meisten Lupinen dienen als Futtermittel. Einer Umfrage der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge werden in Deutschland geschätzte 7,5 Prozent der angebauten Lupinen für die menschliche Ernährung verwendet, eine ähnliche Zahl wie bei Sojabohnen.
Kaffeelikör aus Lupinen
In kleinen Gläschen bietet Kelly Lupinenkerne mit Rote Bete und Joghurt an, anschließend gibt es einen Kaffeelikör – aus Lupinen versteht sich. Im Jahr 2019 wurde sie als erste Frau zur „Landwirtin des Jahres“ mit dem Ceres Award gekürt. „Die Gewinnerin sprüht vor Energie und Tatendrang. Ständig hat sie neue Produktideen, die sie erfolgreich umsetzt“, heißt es in der Begründung der Jury.
Und das gilt bis heute. Zum Leidwesen ihres Mannes falle ihr gefühlt fast jeden Tag eine neue Idee ein, erzählt sie lachend. Derzeit denkt sie über Lupinensprossen nach und über eine Lupinencreme kombiniert mit eigenem Senf.
Am 1. Oktober feiern die Kirchen Erntedank
Sabine Bullinger, Landesbauernpfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, findet es gut, dass es Höfe wie den der Kellys gibt, die neue Wege gehen, um eiweißreiche pflanzliche Nahrungsmittel anzubauen. „Das zeigt die ganze Vielfalt von Lebensmitteln, für die wir an Erntedank danken können“.
Linda Kelly ist zufrieden mit der diesjährigen Lupinenernte. Der Ertrag sei gut, allerdings gab es einige Qualitätseinbußen, weil die Lupinen wegen der nassen Witterung im Frühjahr erst spät gesät werden konnten. Die dann folgende Hitze und der anschließende Regen waren für die Hülsenfrüchte ebenfalls nicht ideal. So seien einige der Lupinen kleiner ausgefallen oder hätten bereits gekeimt und mussten deshalb aussortiert werden. Aber auch davon lässt sich die „Lupinen-Königin“, wie sie sich auf ihrer Homepage nennt, nicht unterkriegen.