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Die legendären Games-Klassiker “Dragon Quest I&II” in neuem Gewand

Zwei Meister der japanischen Popkultur erfahren mit der Neuauflage ihrer frühen Werke eine posthume Ehrung. In der Kurzkritik: “Earthion”.

Rundenbasierte Rollenspiele, zumal wenn sie aus Japan kommen, sind heute hochkomplex und bieten oft frei begehbare Welten, in denen man zahlreiche Abenteuer erlebt. Das alles hat einmal vergleichsweise einfach angefangen, nämlich zu Beginn der 80er-Jahre mit Spielen wie “Ultima” und “Wizardy”. 1986 vereinte “Dragon Quest” Elemente aus beiden und kombinierte sie mit Charakterdesigns des im vergangenen Jahr verstorbenen Manga-Genies und “Dragon Ball”-Schöpfers Akira Toriyama. In dessen Heimatland avancierte die Reihe bald zum Bestseller, es folgten unzählige Ableger, die mittlerweile auch in Europa eine treue Fangemeinde haben.

Nun wurden die legendären ersten beiden Teile komplett überarbeitet und erscheinen mit runderneuerter Grafik unter dem Titel “Dragon Quest I&II HD-2D Remake”. Der Begriff “HD-2D” bezeichnet eine visuelle Präsentationsform, die den klassischen 2D-Pixellook mit moderner 3D-Technologie, Beleuchtungseffekten und Tiefenschärfe kombiniert. Der Effekt ist ein bisschen so, als würde man mit heutigen Augen auf die Games der Vergangenheit schauen, ohne ihnen ihre besondere Aura zu nehmen. Im Zusammenspiel mit der wunderbaren Musik des 2021 verstorbenen “Dragon-Quest”-Hauptkomponisten Koichi Sugiyama entfalten die Landschaften so ihren ganzen Zauber.

Im ersten Teil zieht man als namenloser Held durch das Königreich Alefgard. Laut Legende handelt es sich um einen Nachfahren des legendären Kriegers Erdrick, der vom König von Tantegel den Auftrag bekommt, die entführte Prinzessin Gwaelin aus den Fängen des finsteren Drachenlords zu befreien. Dieser hat die Welt obendrein durch den Diebstahl der heiligen “Kugel des Lichts” in Finsternis gestürzt.

Games waren früher oft schwer bis zur Unspielbarkeit, auch um die Spielzeit zu strecken. Zum Glück hatten die Entwickler nun ein Einsehen und waren mit den Speichermöglichkeiten sehr viel großzügiger als im Original. So gibt es nun eine sehr faire Speicherfunktion. Dazu kommen weitere Erleichterungen wie Schnellreisen, Anzeigen für die Schwächen der Gegner und Kurzbefehle, mit denen man oft genutzte Aktionen auf die Tasten des Steuerkreuzes legen kann. Wer alle Geheimnisse ergründen will, hat dennoch einiges zu tun.

Und dann gibt es in dem Bundle ja auch noch Teil zwei. Dieser spinnt die Geschichte hundert Jahre später weiter. Nun sind es drei Gefährten, die sich den unerschöpflichen Monster- und Dämonenhorden stellen. Für das Remake wurde das Angriffs- und Zauberrepertoire stark erweitert. Die Kämpfe, die ansonsten ganz klassisch ablaufen, bekommen damit viel taktische Tiefe. Wer meint, das Ganze hätte über die Jahrzehnte Staub angesetzt, reibt sich verblüfft die Augen: Wie hier Gameplay und Story verzahnt wurden und man immer wieder motiviert wird, Orte zu erkunden und Geheimnisse zu lüften, ist ganz großes Videospielkino.

Täuschen lassen sollte man sich auch nicht vom “niedlichen” Erscheinungsbild der Protagonisten und Monster. Die japanische Kawaii-Kultur wird abseits der Gaming-, Manga- und Anime-Communities ja oft als infantil wahrgenommen. Auch im “Dragon Quest”-Remake verstärkt diese Ästhetik jedoch die emotionale Nähe zwischen Figur und Spieler. Die imaginäre Welt wird zum Schauplatz für innere Wirklichkeiten.

Dazu passt die traumhafte HD-2D-Optik ganz ausgezeichnet. Sehr ergreifend ist etwa die Szene, als die Helden ins zerstörte Königreich Mondbach zurückkehren, in dessen Ruinen der Geist des getöteten Königs sein Klagelied singt. Es ist gerade der Kontrast zwischen der comichaften Traumwelt und der mitunter tragischen Erzählung, der das Geschehen unter die Haut gehen lässt. So gelingt das Kunststück, das Original nicht zu verfälschen, sondern mit Respekt und unglaublicher Liebe zum Detail einem modernen Publikum zugänglich zu machen.

Square Enix/Artdink/Team Asano

Das Spiel ist von der USK ab 12 Jahren freigegeben. Aufgrund der vielen Kämpfe und des relativ hohen Schwierigkeitsgrads scheint das gerechtfertigt, explizite Gewalt oder andere problematische Inhalte gibt es aber nicht.

nein

deutsche Texte, Audio: Englisch & Japanisch

Nintendo Switch, Nintendo Switch 2, PlayStation 5, Xbox Series X/S, Windows (Steam)

ab ca. 60 Euro

Ein herausragendes klassisches “JRPG” (japanisches Rollenspiel) ist auch “Chrono Trigger” (Square Enix, für diverse Plattformen, unter anderem auch für iOS erhältlich und ab 6 Jahren freigegeben). Genannt werden muss an dieser Stelle auch die “Final Fantasy”-Reihe, anhand derer sich die Entwicklung der JRPGs im Laufe der Jahrzehnte gut nachvollziehen lässt.

Das ist gelebte Gameskultur! Seit den 90ern, also der so genannten 16-Bit-Ära, entwickelt die Ancient Corp., beheimatet im japanischen Hino, Videospiele, von denen einige, wie etwa “Sonic the Hedgehog”, in den Game-Kanon eingegangen sind. Interessanterweise ist der Gründer Yuzo Koshiro Komponist und gilt als Meister der musikalischen Untermalung. Nun hat er sich mit anderen altgedienten Kollegen daran gemacht, einen so genannten 2D-Side-Scrolling-Shooter im Retro-Stil, aber mit modernen Werkzeugen und Funktionen zu erschaffen. Bei “Earthion” haben alle, die früher einmal eine Mega-Drive-Konsole von Sega besessen haben, ein Déjà-vu-Erlebnis. Einsteiger finden neuzeitliche Zugeständnisse wie die Möglichkeit, Schiffsupgrades in die nächste Runde mitzunehmen – stilecht über ein Passwort-System, wie es früher in Ermangelung von Speicherplätzen üblich war.

Für beide Zielgruppen ist die Raumschiff-Ballerei gegen unzählige bizarr gestaltete Gegner in fantastischen Landschaften ein Erlebnis. Es ist wirklich unfassbar, welchen Detailreichtum und welch eine visuelle Wucht man mit bloßen Pixeln auf den Bildschirm zaubern kann, der hier auf das frühere TV-Format 4:3 reduziert wird. Daneben gibt es zahlreiche Optionen, die Darstellung anzupassen, so dass es aussieht, als würde man auf einem Röhrenmonitor spielen.

Zum Gesamteindruck trägt selbstverständlich auch der hypnotische Soundtrack von Yuzo Koshiro bei, der zusammen mit der sonstigen Geräuschkulisse des Spiels viele Eltern oder Partner auch heute noch in den Wahnsinn treiben dürfte. “Earthion” gibt es zunächst nur als Download, dann auch als physische Fassung für diverse Plattformen – inklusive eines 16-Bit-Moduls für das echte Mega Drive!

“Earthion”, Ancient Crop. / Clear River Games, für PC (Steam), Nintendo Switch 1&2, PS4/PS5, Xbox One & Series, Mega Drive, ab 12 Jahren, ca. 18 Euro (Download) und 35 Euro (Modul)