Seit längerem steht die “Landshut” am Bodensee. Die ehemalige Lufthansa-Maschine hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Wie diese Geschichte sichtbar gemacht werden soll, ist aktuell Gegenstand einer Diskussion.
Mitgenommen sieht es aus: das Flugzeug, beziehungsweise der Rumpf, der da in einer Halle am Rande des Flughafens von Friedrichshafen am Bodensee steht. Das ist allerdings auch kein Wunder. Denn diese Maschine hat vor bald 50 Jahren Geschichte geschrieben und war danach noch jahrzehntelang im Einsatz. Am 13. Oktober 1977 wurde die “Landshut” von einer Gruppe palästinensischer Terroristen entführt, die mit der Tat unter anderem in Deutschland inhaftierte Mitglieder der linksextremen Rote Armee Fraktion freipressen wollten. Während des mehrtägigen Irrflugs erschossen die Terroristen den Piloten der Lufthansa-Maschine, Jürgen Schumann.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977 stürmte die Antiterroreinheit GSG9 das inzwischen auf dem Flughafen von Mogadischu in Somalia gelandete Lufthansa-Flugzeug. Dabei kamen drei der vier Geiselnehmer ums Leben. Die Befreiung der “Landshut” machte weltweit Schlagzeilen und gehört seither zu den Schlüsselereignissen des sogenannten Deutschen Herbstes, an dessen Ende der Staat in der Konfrontation mit der RAF die Oberhand behielt.
2017 wurde das Flugzeug auf Initiative des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) nach Deutschland zurückgebracht. Bis Ende 2026 soll nun in Friedrichshafen eine Ausstellung rund um die Maschine entstehen. Die Federführung für die Konzeption des geplanten Lernortes liegt bei der Bundeszentrale für politische Bildung, die wiederum zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums gehört.
Wie soll die “Landshut” künftig präsentiert werden – in der Optik von 1977 oder mit all ihren Spuren, die sich im Laufe ihrer langen Einsatzzeit im Cockpit, dem Innenraum und der Außenhülle niedergeschlagen haben? Das ist eine der Fragen, um die derzeit gerungen wird. In einem Offenen Brief an Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) warnen Kritiker vor einem Scheitern des Projekts.
Statt einer zeithistorischen Gedenkstätte plane die Bundeszentrale für politische Bildung “eine Lehrstunde in Diversität”, heißt es in dem Schreiben, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Dabei verlören die Verantwortlichen das Wesentliche aus den Augen: “Die ‘Landshut’ zu restaurieren, so wie sie Teil des kollektiven Gedächtnisses wurde und noch immer ist.” Nur mit ihrem Lufthansa-Design ausgestattet könne die Maschine “zum Ankerplatz des gesamten Unternehmens werden”, so die Unterzeichner des Schreibens, zu denen mehrere ehemalige Geiseln gehören.
Vor wenigen Tagen wurde ein zweiter Brief an Dobrindt auf den Weg gebracht. Diesmal vom “Unterstützerkreis ‘Demokratieraum. Die Landshut in Friedrichshafen'”, dessen Sprecher der ehemalige baden-württembergische Landtagsabgeordneten Norbert Zeller (SPD) ist. Der Unterstützerkreis hält eine historische Rekonstruktion der “Landshut” für den falschen Weg und stellt sich hinter das Konzept der Bundeszentrale. Ein Argument: Eine solche Rekonstruktion würde alle anderen vorhandenen Spuren an der Boeing 737 tilgen “und es würde der Eindruck entstehen, dass die Geschichte des Flugzeugs 1977 geendet hätte”.
Dass die “Landshut” in ihren originalen Farben Teil des kollektiven Gedächtnisses sei, hält der Unterstützerkreis für absurd. “Leider haben heute viele junge Menschen kein Wissen über den Herbst 1977 und die Konsequenzen für eine wehrhafte Demokratie.” Genau das aber solle der geplante Lernort leisten: “Aufklärung und Transformation in die heutige Zeit”.
Wie kann es jetzt weitergehen? Ein Sprecher der Bundeszentrale teilt der KNA mit: Die Maschine werde in der künftigen Ausstellung in eine Ausstellungsarchitektur eingebunden sein, “die mittels verschiedener medialer Möglichkeiten und Präsentationsformen auch einen visuellen Eindruck von früheren Erscheinungsbildern der Maschine ermöglichen wird”.
Das Bundesinnenministerium spricht auf Anfrage von unterschiedlichen Positionen zur Frage der Rückversetzung der “Landshut” in den Zustand von 1977 und der inhaltlichen Ausgestaltung des Standorts Friedrichshafen – nicht nur unter Zeitzeugen, sondern auch unter Wissenschaftlern. Diese Differenzen sollten seitens des Ministeriums und der Bundeszentrale “im größtmöglichem Einvernehmen mit den Beteiligten” geklärt werden.
Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr, aber Historikerin Petra Terhoeven plädiert für Gelassenheit. Die Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Rom und Verfasserin zweier Bücher über die RAF sitzt im “Fachlichen Begleitgremium”, das dem Projektteam der Bundeszentrale beratend zur Seite steht. “Dass es Debatten und Konflikte um ein Projekt von einer solch hohen Bedeutung für die bundesdeutsche Erinnerungskultur gibt, ist völlig normal und gehört in einer Demokratie schlicht dazu”, sagt Terhoeven im Interview der KNA.
“Das Team der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet eng mit allen Betroffenen zusammen, die dies wünschen – übrigens eine sehr heterogene Gruppe, die naturgemäß nicht nur eine einzige Auffassung vertritt, auch nicht in der Rekonstruktionsfrage”, fügt die Historikerin hinzu. “Am Ende steht hoffentlich ein Lernort, der dem Geschehen angemessen ist und mit dem sich möglichst viele Betroffene identifizieren können. Sie warten schon viel zu lange darauf.”