„Die Kirche muss sich dieses Jubiläum leisten“

17 Millionen Euro stehen bereit, um das Jubiläum der Reformation 2017 zu feiern. Für Marlehn Thieme, die Vorsitzende des Vereins „Reformationsjubiläum 2017“, ist das Geld gut angelegt. Im Interview spricht sie über gemeinsame ökumenische Feiern – und darüber, wann sich der Aufwand gelohnt hat.

Rund um Martin Luther drehen sich die Lessingtage
Rund um Martin Luther drehen sich die LessingtageSteffen Schellhorn / epd

Eine neue Broschüre zum Reformationsjubiläum trägt den Titel: "Martin Luther Superstar" – herausgegeben vom Deutschen Kulturrat. Warum bezieht die evangelische Kirche keine so klare Position?
Marlehn Thieme: Für die evangelische Kirche geht Reformation weit über die Person Luthers hinaus. Unierte, aber vor allem reformierte Kirchen gründen stärker auf den Reformatoren Calvin und Zwingli. Zum anderen ist Luther eine ferne Figur. Auch die problematischen Aussagen Luthers zum Judentum hindern mich zu sagen: Martin Luther Superstar. Zudem sind mir auch die Heiligen unserer Tage wichtig, etwa Dietrich Bonhoeffer, der uns völlig neue Dimensionen evangelischer Theologie vermittelt hat.
Die evangelische Kirche spricht von Reformationsfeier, die katholische von Reformationsgedenken. Wie wichtig ist es, das Jubiläum ökumenisch zu begehen?

Wir Evangelischen können und werden feiern, dabei unsere ökumenischen Geschwister im Blick haben. Ich kann nachvollziehen, dass es Katholiken fern liegt, die Spaltung ihrer katholischen Kirche zu bejubeln. Und weil wir gelernt haben, innerhalb der evangelischen Konfessionen in versöhnter Verschiedenheit zu feiern, sollten wir auch in Bezug auf die römisch-katholische Kirche das Jubiläum ökumenisch gestalten.
Am Reformationstag 2016 wird das Jubiläumsjahr in Deutschland mit einem Gottesdienst in Berlin und einem staatlichen Festakt eröffnet. Zeitgleich trifft sich der Papst mit dem Lutherischen Weltbund im schwedischen Lund. Sehen Sie da eine Konkurrenz?
Nein, das Selbstverständnis des Vatikan ist es, Weltkirche zu sein. Ihr steht als Repräsentanz des Protestantismus der Lutherische Weltbund gegenüber. Da ist keine Konkurrenz und kein Gegensatz, sondern gemeinsam mit den Katholiken und christlichen Kirchen werden wir gemeinsam missionarisch für den christlichen Glauben einstehen. Wenn wir uns nicht auf die Differenzen fixieren, sondern mehr Versöhnung und Gemeinsamkeit erkennbar machen, würde das stärker helfen – den Menschen in den Gemeinden, den Kirchen und dem Christentum an sich.
Als größte Veranstaltung ist ein Festgottesdienst am 28. Mai 2017 auf den Elbwiesen in Wittenberg geplant. Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?
Zu einem üblichen Kirchentags-Abschlussgottesdienst kommen um 100.000 Menschen. Aber wir sind auch darauf vorbereitet, dass es doppelte so viele sein werden. Noch mehr Menschen können live per Fernsehen, Hörfunk und Internet mitfeiern.
An den Vorbereitungen sind viele evangelische Institutionen beteiligt – allen voran die Landeskirchen, die EKD, der Kirchentag. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Die Vorbereitung ist ein Lernprozess für alle. Es läuft natürlich nicht alles ganz einfach, wenn sich so viele Menschen einbringen sollen. In der Partizipation liegt aber viel Energie – man sollte sich nicht auf kleinliche Machtfragen konzentrieren. Die Vielzahl der Beteiligten erfordert Kompromisse.
Als Vorsitzende des Durchführungsvereins für das Reformationsjubiläum müssen Sie sehen, dass das Geld reicht. Wie groß ist das Budget?
Die Kirchen haben ein Budget von 17 Millionen Euro für das Reformationsjubiläum bereitgestellt. Der Verein "Reformationsjubiläum 2017" organisiert damit die Weltausstellung der Reformation, den Europäischen Stationenweg, die Konfirmanden- und Jugendcamps und die Kirchentage auf dem Weg. Diese Veranstaltungen bilden die Plattform und Bühne für zahlreiche Aktivitäten in Wittenberg, aber auch weit darüber hinaus.
Woher kommt das Geld?
Das Geld kommt aus Kirchensteuern der Landeskirchen. Die Ausgabe ist im EKD-Haushalt beschlossen. Darüber hinaus werden durch die Beteiligung Dritter viele zusätzliche Mittel generiert. Ein besonderer Dank gilt den Ländern und dem Bund, aber auch privaten Partnern, die uns als Spender, Sponsoren und aktive Unterstützer fördern.
Können Sie eine Gesamtsumme nennen?
Nein, es passiert ja viel mehr als in und um Wittenberg. Die EKD etwa wird sich in Berlin am Festakt mit den Institutionen des Bundes beteiligen. Sie wird ein Christusfest gemeinsam mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz feiern. Die neu übersetzte Lutherbibel wird eingeführt. Zudem machen die Landeskirchen und Gemeinden ihre Veranstaltungen. Was das insgesamt kostet, kann ich nicht sagen.
Mit diesem Geld könnten Diakonie und "Brot für die Welt "viel Gutes tun. Darf es sich die Kirche leisten, für das Jubiläum einen solchen Betrag auszugeben?
Sie muss es sogar! Entscheidend ist doch: Wie bewirkt man Gutes? Natürlich könnte man damit viele hungrige Menschen unterstützen oder vielen Flüchtlingen helfen. Aber ist es nicht auch unsere Aufgabe, die Idee lebendig zu halten, die eine solche Hilfe überhaupt ermöglicht? Gott neu zu entdecken ist das eigentliche Thema. Wir müssen dafür in einer so gottlosen Welt einen Raum schaffen und das geht nicht, ohne entsprechende Mittel in die Hand zu nehmen.
Wenn sich auf der geplanten Weltausstellung in Wittenberg der Protestantismus aller Kontinente präsentieren soll, werden viele Institutionen weniger Geld haben als die relativ reichen Kirchen Europas. Werden Teilnehmer aus dem Süden unterstützt?
Es gibt viele Partnerschaften. Mein besonderer Dank gilt vor allem den Landeskirchen und den Missionswerken. Sie ermöglichen es, dass auch Partner, die sonst nicht die Mittel hätten, in großer Zahl nach Wittenberg kommen können, um mit uns über Religion und Gesellschaft heute in einer globalen Dimension zu sprechen.
Ist sichergestellt, dass alle, die kommen wollen, auch nach Deutschland einreisen dürfen?
Wir werden uns darum bemühen, dass diejenigen, die kommen wollen und deren Reise finanziert ist, auch einreisen können.
Ende 2017 müssen Sie Kassensturz machen. Wann können Sie sagen: Der Aufwand hat sich gelohnt?
Das Ergebnis können wir nicht einfach messen, weil wir noch nicht wissen, wie sich die Welt bis Ende 2017 entwickelt. Es muss aber deutlich geworden sein, dass Menschen in unserem Land und anderswo in der Welt ermutigt sind, sich zu ihrem Glauben zu bekennen. Dann hat sich das gelohnt. (epd)