Die Kirche, die zum Gedenkort wurde

Im Zweiten Weltkriegs brannte die Dorfkirche Rosow fast nieder, seit zehn Jahren erinnert ein Förderkreis in ihr an das, was Millionen Menschen 1945 erlebten: Vertreibung, Flucht und Neuanfang.

Vom gläsernen Turm aus können Besucher den Ausblick genießen
Vom gläsernen Turm aus können Besucher den Ausblick genießenMichael Kulik

Rosow. Schon auf den ersten Blick sieht man, dass diese Dorfkirche Rosow im Süden des Pommerschen Kirchenkreises etwas zu erzählen hat: von Zerstörung und Versöhnung, von Ende und Neuanfang. Hier, direkt an der Grenze zu Polen. Denn statt einer massiven Kuppel sitzt auf dem Turm der Kirche eine moderne Glas- und Stahlkonstruktion – seit zehn Jahren, seit der „Förderkreis Gedächtniskirche Rosow“ es geschafft hat, die Kirche zu restaurieren und zum Gedenkort zu machen.
Anfang Juni wurde dieses Jubiläum gefeiert. „In dieser Region, in der Deutsche und Polen zunehmend enger zusammen leben, ist die kleine Rosower Kirche Mahnmal vor wieder erstarkendem dumpfem Nationalismus und Zeichen der Hoffnung“, sagte Bischof Hans-Jürgen Abromeit in seiner Festpredigt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das Gebäude in Flammen aufgegangen, die Inneneinrichtung verbrannte, der Turm wurde zum Stumpf. 1946 erlebte dann das ganze Dorf einen radikalen Wandel: Die östliche Ortsgrenze wurde zur Staatsgrenze. „Viele Vertriebene aus Ostpreußen, Schlesien und Hinterpommern fanden in Rosow eine neue Heimat“, erzählt Karl Lau, Kirchenältester und Vorsitzender des Förderkreises. In den Häusern, in denen sie gelebt hatten, siedelten sich wiederum Vertriebene aus dem Baltikum und Ostpolen an.

Förderkreis gegründet

2003 sei darum die Idee entstanden, aus der kriegsgeschädigten Kirche eine deutsch-polnische Gedenkstätte zu machen. „Wir wollten erzählen, wie es den Vertriebenen auf beiden Seiten der Grenze nach 1945 ergangen ist“, sagt Lau. So begannen er, andere Ehrenamtliche und ABM-Kräfte, fast 60 Zeitzeugen aus der polnisch-deutschen Grenzregion zu befragen und ihre Geschichten aufzuschreiben – ungefiltert, unkommentiert. „Der eine hat es so erlebt, der andere so. Wir haben das einfach zur Kenntnis genommen“, sagt Karl Lau.
Als damaliger Bürgermeister des Orts gründete er auch mit weiteren Engagierten den Förderkreis, um die Kirche im Dorf zu restaurieren; rund 20 bis 25 Mitstreiter hat er. „Die Kirche gehört doch zu unserer Heimat, unserem Glauben“, sagt Lau. Auch wenn von den rund 160 Rosowern fast niemand mehr zum Gottesdienst komme.

Neue Spitze für den Turm

In den 1950er Jahren war die Kirche nur notdürftig wiederhergestellt worden. Nun halfen Mittel aus dem Förderkreis Alte Kirchen in Berlin-Brandenburg, der EU und von weiteren Sponsoren, dem Turm eine neue Spitze zu schaffen, im Inneren eine Teeküche und Toiletten einzubauen, Bestuhlung zu kaufen und eine Solaranlage aufs Dach zu setzen, um langfristig eine Einnahmequelle zu haben. Im Juni 2007 feierte man im Dorf die Wiedereinweihung. „Den Millionen deutschen und polnischen Flüchtlingen des Zweiten Weltkrieges zum Gedächtnis“, steht seitdem auf einer Stele vor der Kirche, im Inneren liegen die Mappen mit den vielen Zeitzeugenberichten. „Und das Thema Flucht ist ja heute wieder sehr aktuell“, sagt Karl Lau.
„Diese Kirche gehört zu unserer Heimat“.
Gottesdienste werden in Rosow hin und wieder gefeiert. Mehrmals im Jahr organisiert der Förderkreis zudem Konzerte mit polnischen oder deutschen Musikern, holt mit Busreisen Ausflügler aus Berlin. „Ich finde es wichtig, auch Nicht-Christen in die Kirche zu ziehen“, sagt Karl Lau. Und die Kirche überhaupt in Benutzung zu behalten. „Gerade weil nur noch so wenige in den Gottesdienst gehen, muss man doch alle Register ziehen.“