Die Kirche aus einem ganz anderen Blickwinkel
Nach mehr als 15 Jahren ist der Güstrower Dom restauriert – 150 Jahre nach der letzten großen Renovierung. Das feiert die Gemeinde mit einer besonderen Aktion.
Güstrow. Besucher des Güstrower Doms (Mecklenburg-Vorpommern) können bald auf Höhe von Ernst Barlachs bekannter Bronzeplastik "Der Schwebende" selbst ins "Schweben" kommen. Dank einer Spende soll im Oktober zwei Wochen lang ein neuer hölzerner Fußboden verlegt werden – und zwar direkt über den Bänken. Auf diesem Boden können Besucher laufen. Dadurch entstehe ein völlig anderer Eindruck des Raumes, sagt der evangelische Dompastor Christian Höser. Der Eindruck sei ähnlich jenem vor der Reformation, als es noch keine durchgängige Bestuhlung gab.
Der temporäre Holzboden wird bis an die Wände und bis zum Chorraum reichen und soll so die ganze Weite des Gebäudes uneingeschränkt erlebbar machen. "In den nächsten hundert Jahren wird es sowas nicht wieder geben im Dom", ist Höser überzeugt.
Mit der Aktion "Güstrow schwebt" wolle die 2.250 Mitglieder zählende Domgemeinde ihre Freude mit anderen darüber teilen, dass der Backsteinbau nach mehr als 15 Jahren nun im Wesentlichen restauriert und für alle Besucher einladend ist, sagte der Theologe. Die letzte große Domsanierung im neugotischen Stil (1865-1868) ist genau 150 Jahren her. Etwa 3,25 Millionen Euro sind nach Angaben des Kirchenkreises Mecklenburg seit 2002 in die Restaurierung der 1335 geweihten, dreischiffigen Basilika geflossen.
Wie die Idee entstand
Die Idee zum temporären Holzboden auf der Höhe des "Schwebenden" entstand durch die einmalige Raumerfahrung während der Bauarbeiten auf dem Gerüst direkt unter der Decke. Während der Aktion "Güstrow schwebt" wird der Dom vom 2. bis 14. Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet sein. Am 2. und 7. Oktober gibt es Konzerte, und am 7. und 14. Oktober kreative Gottesdienste. Bei allen Veranstaltungen haben Besucher freien Eintritt.
Außerdem sind vom 3. bis 6. Oktober tägliche Abendveranstaltungen auf dem neuen Boden geplant, die Kunst und Genuss vereinen sollen. Jeweils von 19 bis 21.30 Uhr können 120 Menschen an Sechser-Tischen Platz nehmen und ein Programm mit Pop, Theater, Kabarett, geistlichem Impuls sowie einem Drei-Gänge-Menü erleben. Kostengünstige Karten (15 Euro) gibt es dafür am 9. September nach dem Sonntagsgottesdienst.
Ab 10. September sind Karten für 25 Euro in der Güstrow-Information im freien Verkauf erhältlich – sofern noch verfügbar. Denn die Hälfte der Abendkarten sei zum vergünstigten Preis von 15 Euro pro Stück "in die Stadt hinein verschickt" worden, um mit Pflegediensten, Krankenhaus und anderen "unsere Freude zu teilen", sagte Pastor Höser.
Haupteingang verlegt
Bis Oktober soll noch der Haupteingang von der Südseite in den Westen verlegt werden. Dafür wurde bereits Barrierefreiheit im künftigen Eingangsbereich geschaffen und ein Tresen für die Domwache eingebaut. Ein gläserner Windfang und Glasscheiben am Tresen sollen bis Oktober noch folgen.
Er wünsche sich, dass die jetzt erfolgte Sanierung des Domes wieder 150 Jahre hält, sagt Pastor Höser. Doch er ist überzeugt davon, dass die Klimaveränderungen sich auch auf Kirchen auswirken. Der Theologe erinnerte beispielsweise an den Tornado, der am 5. Mai 2015 über Bützow nahe Güstrow hinwegfegte und die dortige Stiftskirche stark beschädigte. (epd)