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Die größte Krebstiersammlung Deutschlands

Manche von ihnen wirken wie aus einer anderen Welt. Einige sind klein wie ein Staubkorn, andere über einen Meter lang. Hunderttausende Krebse sind in der Sammlung des Senckenberg-Naturmuseums und -Forschungsinstituts in Frankfurt am Main für die Ewigkeit konserviert. Die ältesten Exemplare sind mehr als 200 Jahre alt und stammen aus dem Roten Meer. Mehr als 500.000 Sammlungsnummern hat die Krebstiersammlung in Frankfurt. Hinter jeder Nummer verbergen sich einzelne bis zu vielen Hundert Individuen. Die Krebstiersammlung des Senckenberg-Museums ist die größte in Deutschland.

Dr. Torben Riehl ist Meeresbiologe und stellvertretender Sektionsleiter des Bereichs Crustaceen (Krebstiere) im Senckenberg-Forschungsinstitut. Er beschäftigt sich besonders mit der Tiefsee und Isopoden, also Asseln. „Krebstiere gibt es fast überall. Flohkrebse in den Meeren sind die größte Proteinquelle der Welt. Alle Nahrungsketten in den Meeren hängen irgendwie mit Krebsen zusammen“, erklärt er.

Einige Teile der Sammlung sind auch in der Tiefsee-Ausstellung des Naturmuseums ausgestellt. Beispielsweise die Tiefsee-Riesenassel: Die Assel ist etwa 45 Zentimeter groß und lebt auf dem Boden des Atlantischen und Pazifischen Ozeans. Riehl berichtet, dass die Assel über die Geruchsorgane in ihren Fühlern Kadaver von Fischen über mehrere Kilometer Entfernung wahrnehmen kann.

Die Naturhistorischen Sammlungen seien wichtig für die Wissenschaft und Forschung, betont der Meeresbiologe. Wissenschaftler aus der ganzen Welt nutzten die Senckenberg-Sammlung für ihre Projekte. Die konservierten Tiere hinter den Sammlungsnummern gelten als Zeitzeugen für das Vorkommen einer bestimmten Art zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Mit diesen Daten können Populationsveränderungen, beispielsweise im Zuge des menschengemachten Klimawandels, nachvollzogen werden.

Viele der konservierten Tiere in der Sammlung sind Typusmaterial. Sie sind die Belegexemplare für ihre Art, also ein ausgewähltes Individuum, auf dessen Grundlage die Tierart dann beschrieben wird. Für jede neu entdeckte Art muss dieses Typusmaterial in einer Sammlung hinterlegt werden, damit die Art einen Namen bekommen kann. Die Belegexemplare dienen Wissenschaftlern zum Vergleichen – etwa um zu untersuchen, ob ein Tier, das sie gefunden haben, bereits entdeckt wurde oder ob sie eine neue Art gefunden haben.

Im Jahre 2020 hatte Riehl zusammen mit seinem Kollegen Bart De Smet einen bislang unbekannten Tiefseekrebs erstbeschrieben und nach der Rockband Metallica benannt. Die staubkorngroße Tiefseeassel erhielt den Namen „Macrostylis Metallicola“. Metallicola deute, so Riehl, auch auf den Lebensraum der Assel hin. Sie lebt zwischen Manganknollen, die neben Mangan und Eisen auch Seltene Erden enthalten. Der Meeresbiologe wollte damit auf das Thema Tiefseebergbau aufmerksam machen und vor den Auswirkungen auf die Ökosysteme in der Tiefsee warnen. Eine hundertfach vergrößerte Version der Assel befindet sich im Tiefsee-Ausstellungsraum des Frankfurter Naturmuseums.

Zusammen mit der Professorin Julia Sigwart am Senckenberg-Forschungsinstitut leitet Torben Riehl die „Senckenberg Ocean Species Alliance“ (SOSA). Die SOSA wolle für wirbellose Tiere eine Lobby sein und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für sie schaffen, sagt Riehl. Geschätzt mehr als 90 Prozent der Meerestiere sind laut der SOSA bisher unentdeckt. Der menschengemachte Klimawandel führt nach Aussage der Wissenschaftler zu einem massiven Biodiversitätsverlust, und Arten sterben aus, bevor sie entdeckt und beschrieben werden können.